[ iIa ] Goerz Spezial-Film-Tenax Mod. I mit Dagor 6,8 /120
Dieser Thread hatte ursprünglich den Titel "Rätselhafte Rollfilm-Plattenkamera"
Hallo Forum,
vor mir liegt eine Kamera, die Rätsel aufgibt und die ich weder in der Sammlerliteratur noch in zeitgenössischen Hersteller- oder Händlerkatalogen gefunden habe.
Es handelt sich um eine Laufbodenkamera im Format 8x10,5 für Rollfilm 118 oder Platten 9x12. Auf der Unterseite des Laufbodens und auf dem Tragegriff befindet sich die Bezeichnung Tenax, bekanntlich ein Modellname von C. P. Goerz. Auf Goerz verweist auch das Objektiv, ein Dagor 6,8/120, das lt. Seriennummer aus dem Zeitraum 1909/10 stammen dürfte. Aber anders als bei Goerz-Kameras sonst üblich, findet sich an keiner Stelle des Gehäuses ein Hinweis auf diesen Hersteller.
Das Gehäuse selbst zeigt markante Ähnlichkeiten mit solchen von Ica. Das betrifft nicht zuletzt das Format der Seriennummer (Gravur im Gehäuse und im Rückteil) mit vorangestelltem Buchstaben A, der bei Ica-Kameras auf ein Baujahr 1909/10 verweisen würde. – Die Form des Aufstellers erinnert an die der Halloh-Modelle. Auch die Spulenaufnahme mit Federblech und den ausschwenkbaren Haltern zeigt eine verblüffende Ähnlichkeit mit denen der Ica Halloh (--> https://blende-und-zeit.sirutor-und-comp...&thread=250).
links: Halloh 510, rechts: "Tenax"
Der Verschluss des abnehmbaren Rückteils weicht jedoch ab; es gibt keine federnden Blechlaschen, sondern jeweils einen verstellbaren Haken, der hinter einen Stift greift. Eigentlich die bessere Lösung… Auch die Arretierung des Rückteileinschubs ist anders ausgeführt als bei den mir bekannten Ica-Modellen.
Gemeinsamkeiten mit einem Ica-Modell gibt es wiederum hinsichtlich der Standarte: Ihre Form, die der Handhaben und der Triebknöpfe entspricht der der frühen Ica Delta 9x12 (--> https://blende-und-zeit.sirutor-und-comp...&thread=236). Das betrifft auch solche Details wie die die raffinierte Vorrichtung, die ein Zurückschieben des Schlittens mit verstellter Standarte verhindert.
Das gilt auch für den Laufboden und die Gestaltung der Spreizenbefestigung, der Entfernungsskala, der Stativbuchsenabdeckung usw. Auch diese Kamera wiederum geht auf ein Modell von Dr. Krügener zurück – genau wie die erwähnten Halloh-Modelle. Zufall?
Immerhin weicht die Form der Spreizen etwa ab:
Aufmerksamkeit verdient auch der Verschluss, ein Automat (1–100) von Bausch & Lomb. Die Blendenreihe folgt dem System nach Dr. Stolze (Blenden 4,6–384), während das Dagor eine deutsche Blendenangabe trägt. Der Verschluss könnte noch älter sein.
Der Mattscheibeneinschub bietet keinen Aufschluss, es dürfte sich nicht um ein Originalteil handelt (Metallrahmen, andere Belederung). Normalfalz-Kassetten passen übrigens nicht, wie ich zu meiner Überraschung festgestellt habe; das muss ich noch einmal systematisch prüfen.
Haben wir es hier mit einer frühen Ica-Kamera zu tun, gefertigt aus Restbeständen von Dr. Krügener? Dann wäre eigentlich eine Ica-Plakette zu erwarten. Und Verschlüsse von Bausch & Lomb waren zu Beginn des 20. Jh.s zwar weit verbreitet, aber nicht unbedingt bei Ica. Und was hat es mit dem Tenax-Schriftzug auf sich – eine Auftragsarbeit für Goerz?
Fragen über Fragen – für Ideen und Hinweise wäre ich dankbar!
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Re: Spezial-Film-Tenax, Mod. I mit Dagor 6,8 / 120
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Hallo Jan,
nach dem Nachlesen im Thiele war wohl C.P. Goerz nicht in die ICA eingetreten, blieb also um 1909/10 eigenständig. Aber es kann ja sein, dass es Beitrittsgespräche gegeben hat, die nachher nicht erfolgreich verliefen.
In dieser Phase kann es aber schon mal eine Auftragsarbeit für die ICA gegeben haben und ICA somit auch schon Komponenten zulieferte, in der Erwartungshaltung des späteren Firmenzusammenschlusses.
Dann hat sich der Firmenzusammenschluss zerschlagen und Dein Modell blieb sozusagen als Zwitter übrig...
Beste Grüße von Haus zu Haus Rainer (Forumbetreiber)
Analog: Aus Negativ wird Positiv. Digital: Pixel sind nicht alles, aber ohne Pixel ist alles nichts.
Re: Spezial-Film-Tenax, Mod. I mit Dagor 6,8 / 120
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Hallo Jan, eine sehr interessante Kamera hast du da, eventuell eine Art "missing link"? Nur ein paar erste Gedankengänge: Ich würde die Kamera auch in die Zeit der ersten grossen Fusion von deutschen Kameraherstellern einsortieren, also um 1909. Sehr zweifelhaft finde ich es, ob der Verschluss im Original zur Kamera gehörte. Nicht einmal beim Objektiv wäre ich mir sicher. Solche frühen Ica-Kameras, die Merkmale mehrerer Vorgängerfirmen besitzen, gibt es schon einige. Aber ich gebe ihnen recht: Normalerweise müsste irgendwo "Ica" vermerkt sein. Bleibt die Möglichkeit, dass die Kamera nicht über die offiziellen Ica-Kanäle verkauft wurde, sondern von einem Mitarbeiter der Kamerawerkstätten aus Resten zusammengebaut und "mitgenommen" wurde (es muss zu der Zeit ja ein ziemliches durcheinander gegeben haben - so in etwa: Hüttig-Werkstätten wurden teilweise weiterbetrieben, Wünsche abgewickelt, Krügener musste sich auf ein Fachgebiet innerhalb des Konzerns spezialisieren usw.). Bleibt das Rätsel mit dem Namen "Tenax". Sehe ich das richtig, das Goerz die Bezeichnung "Tenax" auch erst ab 1909 für seine "Taschen-Tenax" verwendet hat. War die Bezeichnung da schon gesetzlich geschützt? Des weiteren fällt auf, dass die Schrift "Tenax" auf dem Tragebügel in etwa so gestaltet ist, wie sie es bei den frühen Ica-Kameras üblich war. Die Schrift auf der äusseren Laufbodenklappe ist ganz eigenständig, hab ich noch nie (auch nicht bei Goerz) so gesehen. Ich denke, trotz des Namens, ist dies auf keinen Fall eine Kamera von Goerz. Was den ursprünglichen "Stall" der Kamera angeht, denke ich an Krügener. Die letzte Version der der "Krügener Delta Halloh" von 1908-09 kommt ihrer Kamera auf jeden Fall sehr nahe: Gruss Sascha
Re: Goerz Spezial-Film-Tenax, Mod. I mit Dagor 6,8 / 120
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Hallo Sascha,
herzlichen Dank für die Einschätzung! Da lag ich also gar nicht so falsch...
Freier-Sascha:Solche frühen Ica-Kameras, die Merkmale mehrerer Vorgängerfirmen besitzen, gibt es schon einige. Aber ich gebe ihnen recht: Normalerweise müsste irgendwo "Ica" vermerkt sein. Bleibt die Möglichkeit, dass die Kamera nicht über die offiziellen Ica-Kanäle verkauft wurde, sondern von einem Mitarbeiter der Kamerawerkstätten aus Resten zusammengebaut und "mitgenommen" wurde
Ja, so ähnlich stelle ich mir das auch vor. Dazu könnte dann auch der Verschluss passen, der vielleicht zufällig vorhanden war. Denn dass man um diese Zeit bei Ica systematisch Verschlüsse mit der Stolze-Blendenreihe verwendet hat, glaube ich auch nicht. Für eine eine 'offizielle' Ica-Kamera spricht allerdings die Seriennummer.
Freier-Sascha: Bleibt das Rätsel mit dem Namen "Tenax". Sehe ich das richtig, das Goerz die Bezeichnung "Tenax" auch erst ab 1909 für seine "Taschen-Tenax" verwendet hat. War die Bezeichnung da schon gesetzlich geschützt?
Guter Punkt! Da muss ich noch einmal recherchieren.
Freier-Sascha:Was den ursprünglichen "Stall" der Kamera angeht, denke ich an Krügener. Die letzte Version der der "Krügener Delta Halloh" von 1908-09 kommt ihrer Kamera auf jeden Fall sehr nahe:
Klasse, das passt in der Tat! Und auch die Parallelen zu meiner Delta 9x12 sind offenkundig.
Diese frühen Ica-Modelle aus der Übergangszeit könnten in der Tat ein eigenes Sammelgebiet werden...
Re: Spezial-Film-Tenax, Mod. I mit Dagor 6,8 / 120
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Hallo zusammen,
Tenax ist eben eine Modellbenennung von Goerz und die steht nun mal auf der Ledereinprägung drauf. Goerz (als eventueller Konkurrent) wird freiwillig nicht seinen Modellnamen fremd vergeben haben. Ich glaube deshalb nicht dass Goerz völlig draussen ist (siehe mein Vorbeitrag).
Beste Grüße von Haus zu Haus Rainer (Forumbetreiber)
Analog: Aus Negativ wird Positiv. Digital: Pixel sind nicht alles, aber ohne Pixel ist alles nichts.
Re: Spezial-Film-Tenax, Mod. I mit Dagor 6,8 / 120
Dieser Thread hatte ursprünglich den Titel "Rätselhafte Rollfilm-Plattenkamera"
Hallo und einen guten Abend
Tenax war wohl kein geschützter Name denn es gab in Italien zu der Zeit um 1900 einige Produkte mit der Bezeichnung Tenax
kann es vielleicht eine Goerz sein die nicht in Deutschland gebaut wurde ? Goerz hatte ab ungefähr 1900 mindestens 4 Werke (Berlin, Winterstein i.Th, New York, St. Petersburg) das würde dann auch den Verschluss von Bausch und Lomb erklären. Die üblichen Sammlerkataloge enthalten ja Keine Bausch und Lomb aber in einer Liste gibt es einige mit Unicum bezeichnete. Rollda 8x10,5 Aplanat 1900 Rollda 9x12 Aristostigmat 1915 Rollfilm Tenax I 8x10,5 Dagor 6,8 1909 Rollfilm Tenax I 8x10,5 Syntor 6,8 1909 Rollfilm Tenax II 8x10,5 Dagor 6,8 1909 Rollfilm Tenax II 8x10,5 Lynkeioskop 1909 Rollfilm Tenax III 8x14 Dagor 6,8 1909 Rollfilm Tenax III 8x14 Syntor 6,8 1909 in der besagten Liste sid etwa 430 Goerz Kameras aufgeführt aber leider alle ohne Bilder
Re: Goerz Spezial-Film-Tenax, Mod. I mit Dagor 6,8 / 120
Dieser Thread hatte ursprünglich den Titel "Rätselhafte Rollfilm-Plattenkamera"
Hallo zusammen,
vielen Dank für die bisherigen Hinweise!
Sammler:das würde dann auch den Verschluss von Bausch und Lomb erklären. Die üblichen Sammlerkataloge enthalten ja Keine Bausch und Lomb aber in einer Liste gibt es einige mit Unicum bezeichnete
Unicum ist eine Modellbezeichnung von Bausch & Lomb; es ist der zu spannende Verschluss, der hier gezeigte ist ein Automatverschluss (selbstspannend).
Kennt sich jemand mit der Datierung von B&L-Verschlüssen aus? Eine Seriennummer habe ich nicht gefunden. Auffällig ist, wie erwähnt, dass hier das Blendensystem nach Dr. Stolze verwendet wird (mehr dazu: https://photobutmore.de/vintagephoto/objektive/blenden.html). Die größte Blende 4,6 entspricht der 6,8 des Dagors. Möglicherweise ist das, wie Wolfgang vermutet, ein Hinweis auf ausländische Fertigung – oder hier wurde ein alter, vorhandener Verschluss verbaut. (Grundsätzlich ist es natürlich nicht auszuschließen, dass der Verschluss erst später im Zuge einer Reparatur montiert wurde.)
Sammler:Rollfilm Tenax I 8x10,5 Dagor 6,8 1909 […] in der besagten Liste sid etwa 430 Goerz Kameras aufgeführt aber leider alle ohne Bilder
Re: Spezial-Film-Tenax, Mod. I mit Dagor 6,8 / 120
Dieser Thread hatte ursprünglich den Titel "Rätselhafte Rollfilm-Plattenkamera"
Hallo allerseits,
Also aus meiner Sicht nochmal zusammenfassend:
--Diese "Tenax-Kamera" wurde von Krügener gebaut. Dazu gibt es einfach zu viele gemeinsame Merkmale zwischen dieser Kamera und späten Krügener Laufboden- und Rollfilmkameras bis hin zu Exemplaren, die gleich zu sein scheinen.
--Der Verschluss kann nicht Original sein. Keine Krügener Kamera aus dieser späteren Zeit, besitzt einen amerikanischen Verschluss (zumindest findet man in der Literatur und den Katalogen und sonstigen Abbildungen keine Hinweis darauf). Solch ein Verschluss ist ja leicht ausgewechselt (sind den Spuren am Konterring innen zu sehen?)
--Der Begriff "Tenax" war zumindest in dieser Zeit noch keine geschützte Bezeichnung für Goerz-Produkte.
--Die erste Goerz Tenax Laufbodenkamera für Platten (Tenax Plattenkamera 10x15) taucht erst 1911 auf, und die erste Tenax Laufbodenkamera für Rollfilm (Roll-Tenax) erst 1921.
--Alle Goerz-Tenax Laufbodenkameras sehen total anders aus wie die obige "Späte Krügener / Frühe Ica-Familie"
--Von Beitrittsgesprächen von Goerz zur entstehenden Ica AG habe ich noch nie etwas gelesen.
Also stellt sich mir die Frage: Warum steht auf dieser Krügener Tenax drauf? Bleiben wir bei der Goerz-Theorie, dann könnte Goerz tatsächlich ein Ansicht*(S)*emplar von Krügener für sein Programm bestellt haben. Das wurde dann nicht weiterfolgt, sondern eine komplett eigene Kamera entwickelt (1911 Tenax Plattenkamera, 1914 Tenax Manufok Tenax, 1921 Roll-Tenax...)
Bewegen wir uns weg von der Goerz-Theorie, könnte Firma Krügener in den Jahren 1908-09 einen neuen Namen für seine Laufbodenkamera-Serie gesucht haben und es mit "Tenax" versucht haben ohne das es zu einer Berührung zu Goerz gekommen sein muss. Der Name "Tenax" war ja schon vorher bekannt und nicht rechtlich geschützt. Dieser "Namensversuch" ist dann im Rahmen der Fusion "untergegangen"... Man beachte nochmal das Fehlen des Herstellernamen "Goerz" auf der obigen Kamera und das dass Design der Schrift nichts mit der später entstandenen Schrift bei Goerz zu tun hat.
In jedem Fall ist das eine interessante, vielleicht einmalige Kamera!
Re: Spezial-Film-Tenax, Mod. I mit Dagor 6,8 / 120
Dieser Thread hatte ursprünglich den Titel "Rätselhafte Rollfilm-Plattenkamera"
Hallo zusammen,
frei nach dem Motto „google weis alles!“ habe ich mal die Suchmaschine gefüttert. Anbei eine Werbeanzeige (leider in schlechter Auflösung) aus dem „Simplizissimus“ vom 13. Januar 1908, die ggf. ein wenig zur Aufklärung beitragen kann.