[ iIa ] VEB Kamera- und Kinowerke Dresden Praktisix (späte Ausführung)
Heute möchte ich meine „Praktisix“ vorstellen. Wir haben die Dresdner Kamera zwar schon im Forum, aber nur unter Reparaturgesichtspunkten, nicht als Porträt im Museum. Eine großartige Mittelformatkamera, eigentlich die ‚größere Schwester‘ der „Praktina“.
Zunächst der Steckbrief:
• Baujahr: ca. 1964 (Indiz: belederter Anschlagknopf für den Schnellspannhebel, Blitzanschluss) • Hersteller: VEB Kamera- und Kinowerke Dresden (Logo: Ernemannturm) • Format: Mittelformat (6 x 6 cm, 12 Aufnahmen auf Film 120) • Objektivanschluss: P6-Bajonett (wie „Pentacon six“, „Kiev 60 / 6C“) • Objektiv: div. Wechselobjektive, hier ein (Alu-)Tessar 2,8 / 80 (vergütet) • Blenden: objektivabhängig, beim Tessar 2,8 bis 22 • Verschluss: horizontal ablaufender Tuch-Schlitzverschluss • Belichtungszeiten: B, 1, 1/2, 1/4, 1/8, 1/15, Blitz (wohl ca. 1/25), 1/30, 1/60, 1/125, 1/250, 1/500, 1/1000 Sek. • Fokussierung: manuell • Blitz: Kontakt für Elektronenblitz (Blitzleiste kann angeschraubt werden) • Belichtungsmesser: optional ungekuppelter CdS-Belichtungsmesser im TTL-Prismenaufsatz • Filmzählwerk: Fenster im Schnellspannhebel • Sucher: drei Optionen: TTL-Prismensucher, Schachtsucher (mit Lupe), einfacher Prismensucher; keine Fokussierhilfe (z.B. Schnittbild) • Filmtransport: Schnelltransporthebel • Auslöser: schräg vorn rechts (wie bei der „Praktina“, „Contax/Pentacon“, „Praktica“ usw.) • Selbstauslöser: ja (Hebel rechts unten) • Filmtyp-Merkscheibe: ja, DIN / ASA, im Rückendeckel (von der Innenseite einstellbar) • Batterie (im TTL-Prismenaufsatz): PX 13 bzw. heute erhältliche Batterien von WeinCell (1,35 V) oder SR 43/44 mit entsprechendem Adapter zur Ausfüllung des Batteriefachs • Besonderheiten: automatische Springblende, aber kein Rückschwingspiegel, DDR-Qualitätssiegel in der Rückenbelederung (Q1) • Zubehör: Bereitschaftstasche, Gegenlichtblende, 3 Wechselsucher, 2 Messingknöpfe zur Anbringung eines Tragegurts, Augenmuschel (Bajonett)
Die Kamera ist schwer und wuchtig, wie alle Mittelformat-SLR. Gegenüber der russischen Schwester „Kiev 60“ fühlt sie sich aber spürbar solider und wertiger an, und sie löst deutlich sanfter und geschmeidiger aus. Die Springblende macht das Fotografieren und Fokussieren sehr komfortabel. Die Zeiten bis 1/1000 reichen für jede Situation. Eine sehr schöne Mittelformatkamera mit Charakter, mit der ich gerne fotografiere.
Wichtig:
1) Der Transporthebel sollte beim Spannen immer langsam (= mit Gefühl) zurückgeführt werden, man zerschlägt sich sonst mit der Zeit die Mechanik.
2) Nach dem Einlegen des Films und dem Schließen der Kamera muss man den kleinen Knopf rechts seitlich unter dem Spannhebel drücken. Damit aktiviert man den Bildzähler, und das E im Fenster (= Exposed) verschwindet. Jetzt macht man drei Blindauslösungen, bis die 1 im Fenster erscheint. Damit ist die Kamera bereit für 12 Aufnahmen, bis am Ende wieder E erscheint und man den Film nach dem vollständigen Zurückspulen (anders als bei Rotfenstern leider nicht genau zu sehen) entnehmen kann.
Es gibt zwei interessante Bücher zur „Praktisix“:
1) Stefan Scheibel: Mittelformat Ost (Stuttgart, 2. Aufl., 1994) 2) W. G. Heyde: Das Praktisix Buch (Leipzig 1964); ersetzt zugleich eine Gebrauchsanleitung
Re: VEB Kamera- und Kinowerke Dresden Praktisix (späte Ausführung)
Ich hatte mal eine. Für fünf Minuten. Gebraucht bei Porst in Köln, Domnähe, gekauft, rausgegangen, ausgelöst, Spiegel fliegt in 1000 Fetzen. Wieder reingegangen, meinen Kommentar abgegeben, zugegeben etwas emotional. Sie gaben mir mein Geld zurück unter der Bedingung, daß ich nie wiederkomme . Später wurde es dann eine Hasselblad. Da war ich innerlich auf das Salami-Prinzip reingefallen - das bloße Gerippe war gebraucht für 500 Mark zu haben, Normal und Tele und Sucher und Filmrückteil und Polaroidansatz kamen halt Stück für Stück noch drauf. Im Verkauf hat sie mir dann Scheidungs- und Umzugskosten finanziert, aber das ist alles eine andere Geschichte ;) . Heute liegt eine Mamiya 645 in der Schublade, mit dem Objektiv 2.0 und weiteren. Die Rollfilm-SLR finde ich halt sexy ;) .
Re: VEB Kamera- und Kinowerke Dresden Praktisix (späte Ausführung)
Lieber Rainer,
ganz sicher bin ich mir auch nicht. Ich habe mich auch an der Seite "www.dresdner-kameras.de" orientiert. Meine Praktisix hat alle Charakteristika der 2. Version von 1964 und der Lichtschacht den Ernemann-Turm. Die Pentacon-Experten schreiben dort: "Ab 1959 wurde das KW-Logo am Lichtschacht durch den Ernemannturm, das Markenzeichen der neu gegründeten Kamera- und Kinowerke Dresden, abgelöst". Diese wurden aber 1964 in den VEB Pentacon Dresden integriert. Dann wäre Dein Vorschlag vermutlich das historisch Korrektere.
Re: VEB Kamera- und Kinowerke Dresden Praktisix (späte Ausführung)
Hallo Freunde,
ich denke deine Praktisix ist eine späte Kamera der ersten Version, 2. Variante, etwa 1963 oder 1964 hergestellt. Die Änderungen an den Kameras wurden damals schleichend in die laufende Produktion eingeführt, eine klare Unterscheidung kann man kaum treffen. Es ist keine Praktisix II, die wurde auch an der Frontplatte als solche gekennzeichnet. Als Hersteller zeichnet sich für diese Kamera der VEB KKWD (Kamera- und Kinowerke Dresden) verantwortlich.
Re: VEB Kamera- und Kinowerke Dresden Praktisix (späte Ausführung)
Hallo zusammen,
das ist ja richtig etwas schwierig , die Pentacon - Familie mit ihren zeitlich versetzten Firmierungen und Vorläufern richtig einzuordnen. Auch in meinem Online-Museumsverzeichnis geht es dort diesbezüglich etwas hin und her. Ich habe die Kamera jetzt bei Pentacon zugeordnet (dort gibt es auch Hinweise auf die Firmenverflechtungen). Eine andere Variante der Praktisix ist an dieser Stelle auch zu sehen.
Re: VEB Kamera- und Kinowerke Dresden Praktisix (späte Ausführung)
Hallo Rainer,
ja das stimmt, das ist wirklich sehr verwirrend was da wann wie welchen Namen trug. Im Falle des betreffenden Herstellers stellt sich die Geschichte wie folgt dar:
1915 - 1919: Kamerawerkstatt Paul Guthe Dresden 1919 - 1938: Kamerawerkstätten Guthe & Thorsch GmbH 1938 - 1946: Kamerawerkstätten Charles A. Noble 1946 - 1948: Kamera-Werkstätten Niederseditz - Betrieb der Industrieverwaltung 24 Optik - Volkseigener Betrieb Sachsens 1948 - 1951: Mechanik Kamera Werkstätten VEB Niedersedlitz 1951 - 1953: Optik Kamera Werkstätten VEB Niedersedlitz 1953 - 1959: VEB Kamera-Werke Niedersedlitz 1959 - 1964: VEB Kamera- und Kinowerke Dresden 1964 - 1968: VEB Pentagon Dresden Kamera- und Kinowerke 1968 - 1985: Kombinat VEB Pentacon Dresden 1985 - 1989: Kombinat VEB Carl Zeiss Jena
Hier sind stets die Eigentümer, bzw. die verantwortlichen Stellen angegeben. Es ist unheimlich kompliziert diese Umbenennungen gerade nach dem Krieg zu verstehen aber man kann vielleicht nachvollziehen dass die gesamte Kameraindustrie erst wieder geordnet werden musste. Charles A. Noble wurde 1946 enteignet, der Betrieb fiel an das Land Sachsen. Andere Betriebe standen nach dem Krieg ohne Führung da weil die Eigentümer vertrieben wurden, in die westlichen Besatzungszonen flohen, etc. etc. Dies geschah natürlich nicht auf einen Schlag sondern nach und nach und dadurch mussten die ganzen Betriebe neu organisiert werden und auch die Bürokratie zwischen SMAD (Sowjetische Militäradministration), DDR, Land Sachsen und den einzelnen Betrieben war anscheinend sehr verzwickt. Wer sich für die "Geschichte der Dresdner Fotoindustrie" interessiert dem empfehle ich das gleichnamige Buch von Herbert Blumtritt, hier wird sehr ausführlich beschrieben welche Probleme und Kuriositäten in all den Jahren aufgetreten sind.
Re: VEB Kamera- und Kinowerke Dresden Praktisix (späte Ausführung)
Hallo Rainer,
kannst du gerne übernehmen, jedoch unterteile ich meine Kameras lediglich in Guthe und Thorsch (1915-1938), KW Niedersedlitz (1938-1964) und VEB Pentacon (1964-1989), weitere Unterteilungen sind mir einfach zu umständlich.