[ iIa ] Zweiverschluss 9x12 im Querformat Bülter und Stammer, unbekannt 4
Hallo zusammen,
das Kamerawerk Bülter & Stammer war ein bedeutender Hersteller von Fotoapparaten, das im Jahr 1902 gegründet wurde und aus der Firma Glunz & Bülter hervorging, die bereits 1893 in Hannover gegründet wurde. Das Unternehmen produzierte hochwertige Plattenkameras, die für ihre robuste Bauweise, Vielseitigkeit und fortschrittliche Verschlussmechanismen geschätzt wurden. Eine der bedeutendsten Neuerungen war die Entwicklung einer Vorrichtung zur Seitwärtsstellung des Objektivträgers.
Heute möchte ich eine Zweiverschluss-Kamera 9x12 Querformat von Bülter und Stammer vorstellen.
Leider fehlen Newtonsucher und Mattscheibe. Ansonsten befindet sich in einem sehr guten Zustand. Der Tragriemen sitzt auf der linken Seite und hat keine Prägung. Die Handhaben sind nach außen gedrehte Tellerchen mit Stiel. Die Lichtschachtabdeckung wird mit zwei Klammern fixiert.
Am inneren Rand des Gehäuses ist die Nummer 77703 eingeprägt.
Nach der Beschreibung in „Deutsche Kameras 1900 bis 1945“ von Willi Kerkmann Seite 22, No. 0155 könnte es die Zweiverschluss-Kamera „Quick“ sein
oder bei James E. Cornwall auf Seite 49 Nr. 153 die Tropen Kamera „Aequatoria“, die auch als 9x12 Kamera vorgestellt wird.
Sie gleicht auch der von Freier-Sascha am 30.07.2019 vorgestellte Kamera. Demnach käme die Kamera Modell 80 – 9x12 in Frage und könnte 1910/1911 gefertigt worden sein.
Die Kamera macht auf mich mit ihrem Chassis aus poliertem und belederten Ebenholz einen sehr wertigen Eindruck.
Laufboden und Laufschlitten sind ebenfalls aus Ebenholz und bewegen sich durch Betätigung des Triebknopfes sehr geschmeidig - in Anbetracht des Alters ein erstaunlicher Zustand. Die Laufschienen sind vernickelt. Der Lederbalg für einen Dreifach-Auszug ist in einem sehr guten Zustand und dicht.
Der schwarz lackierte metallene Objektivträger ist in der u-förmigen Standarte aus Metallguss eingelassen und lässt sich über ein Zahntrieb in der Höhe verstellen. Die Standarte lässt sich manuell seitlich verstellen.
Den dritten Laufschlitten kann man nach der Freigabe über die beiden Knöpfe seitlich des zweiten Laufschlittens herausfahren, um die Kamera für Nahaufnahmen bereit zu machen.
Das Objektiv stammt von Rodenstock - Doppel-Anastigmat „Eurynar“ mit Blendenbereich 6,8 – 36 bei einer Brennweite von13,5 cm Der Zentralverschluss ist ein IBSO Verschluss mit Luftbremse von Alfred Gauthier GmbH mit Belichtungszeiten 1 – 1/100 + C B T
Die Einstellungen C B T scheinen nicht zu stimmen. C steht eigentlich für „Closed“ und die Blende müsste geschlossen sein. Stattdessen steht die Blende offen, vielleicht für die Nutzung des Schlitzverschlusses bedeutsam oder es liegt Verharzung vor und könnte durch Verschlusswartung beseitigt werden. Normalerweise wäre T die Einstellung zum Offenhalten der Blende ohne, wie bei der Bulb-Stellung, den Auslöser gedrückt halten zu müssen.
Für die Einstellung und Betätigung des Schlitzverschlusses sind zwei Rändelschrauben am hinteren rechten Bereich des Kameragehäuses verantwortlich. Mit der oberen Schraube kann man den Vorhang in Position bringen und den Auslöser spannen. Beim Drehen im Uhrzeigersinn, bewegt sich der Vorhang nach oben und wird von unten über eine Umlenkrolle wieder nach oben geführt.
Drückt man den Auslöserhaken, fällt der Vorhang nach unten und schließt.
Die Belichtungszeit kann man über die untere Rändelschraube nach Freigabe der Sperre in 6 Stufen einstellen. Ob dies so stimmt, weiß ich nicht, da ich keine Erfahrung mit dem Schlitzverschluss bei alten Plattenkameras habe.
Bei dieser und der letzten vorgestellten Kamera fühlt man sich fast versucht, mit Platte oder Planfilm zu fotografieren. Doch mir fehlen die Kenntnisse und die Möglichkeiten.
Urheberrechte 1: Keine Scans von Prospekten, Bedienungs-Anleitungen, Prominentenfotos, Kunstobjekten oder Buch/Zeitschriften-Artikeln, die über begründete Bildzitate hinaus gehen.
Urheberrechte 2: Nur selbst aufgenommene Fotos. Keine Fotos auf und in fremden Grundstücken / Gebäuden / Museen, Ausstellungen, Theatern, usw.
Urheberrechte 3: Textpassagen von fremden Quellen vermeiden, höchstens einige Zeilen deutlich als Zitat erkennbar mit genauer Quellenangabe.
Keine Fotos, auf denen Personen erkennbar oder zuord-bar sind, ohne deren schriftliche Genehmigung (DSGVO). Ebenso keine erkennbaren KFZ-Kennzeichen oder Fragmenten davon! !
Fotos: Für beste Darstellung die Fotos (Thumbnails) unter den Textbeiträgen anklicken.
Der Zähler der Vorschaubilder zeigt NICHT die echte Zugriffszahl, die Bild-Anklicke direkt im Text werden nicht gezählt!
Re: Zweiverschluss 9x12 im Querformat Bülter und Stammer, unbekannt 4
Nachtrag:
Laufboden und Laufschlitten sind ebenfalls aus Ebenholz und bewegen sich durch Betätigung des Triebknopfes sehr geschmeidig - in Anbetracht des Alters ein erstaunlicher Zustand.
Eine Erklärung fand ich im Buch von Kleffe und Langner "Historische Kameras aus Sammlungen der DDR", im Kapitel Reisekameras - Fotoapparate aus der Tischlerei.
„Für anspruchsvollere Apparate wurden besonders hochwertige Hölzer verwendet ….. Sie mussten erst vier bis acht Jahre lagern. Einige Wochen vor der Verarbeitung kamen sie in einen besonderen Trockenraum, in dem ständig eine Temperatur von 60° C herrschte. Dies sollte gewährleisten, dass sich die Konstruktionsteile der fertigen Kamera nachträglich nicht mehr verziehen, sondern genau gleiche Form und Maße behalten … .“ So bildete die Kameraherstellung einen Spezialzweig des Tischlerhandwerks."
Re: Zweiverschluss 9x12 im Querformat Bülter und Stammer, unbekannt 4
Hallo Ingrid,
sieht man sich die Bilder deiner Kamera an, so sieht man an der Laufbodenführug ein bräunliches Holz. Die Kamera ist also nicht aus Ebenholz – alles nur schwarz lackiert. Ich habe ehrlich gesagt auch noch keine Kamera aus Ebenholz gesehen.
Ebenholz hat eine besonders hohe Dichte 1,1 g bis 1,3 g/cm³ - geht also im Wasser auch im trockenem Zustand unter - ist in den guten Qualitäten sehr kleinporig, neigt zum Reißen, werfen und ist spröde. Es trocknet nur sehr langsam. Werkzeuge werde durch Kristalleinlagerungen schnell abgestumpft (bei einfachen gehärteten Kohlenstoff-Stahl um 1900 sehr ungünstig) und die Bearbeitung ist schwierig. Stäube sind biologisch wirksam und führen zu Dermatitis und Schleimhautreitzungen. Insgesamt ein echt ungünstig zu verwendendes Holz, das niemand der bei Sinnen ist gern verarbeitet. Allein für Luxusgüter setzt der Verstand dann aus und die Untertanen dürfen sich gern quälen und die Gesundheit ruinieren, wenn die Herren das Besondere wollen.
Aber Spaß bei Seite. Das Holz ist derart dicht, dass man kaum eine Schraube rein bekommt ohne vorzubohren und auch dann reißt das Holz leicht. Es ist einfach zu wenig Porenraum vorhanden, der sich beim eindrehen einer Schraube mit weggedrückten Holz füllen lässt. Die Kameragehäuse sind filigran und hoch belastet, da kann man kein sprödes Holz gebrauchen, dass wie Glas bei ungünstiger Belastung bricht/reißt.
Im Kamerabau braucht man einen Kompromiss aus Elastizität und Härte bei guter Beständigkeit und Verarbeitbarkeit und da ist Ebenholz eigentlich nur hart bei schöner Oberfläche. Viel besser geeignet sind unter den einheimischen Laubhölzern Kirsche, Apfel und Nussbaum etc. Eiche ist schon wieder zu spröde/porös und Buche kann Feuchtigkeit nicht ab (fault) und wirft sich. Unter den tropischen Holzern gibt es unzählige Arten, die einen guten Kompromiss bei einer Dichte von 0,6 bis 0,8 g/cm³ von Härte und Elastizität, guter Verarbeitbarkeit sowie natürlicher Widerstandsfähigkeit aufweisen.
Was da im Buch von Kleffe und Langner "Historische Kameras aus Sammlungen der DDR" zu dem „… besonderen Trockenraum, in dem ständig eine Temperatur von 60° C herrschte.“ steht kann ich ohne den Kontext so nicht glauben. Bei der Verarbeitung sollte das Holz genau die durchschnittliche Holzfeuchte haben, bei der die Kamera benutzt bzw. gelagert werden wird. Nur wochenlang, heiß lagern führt zu extrem trocknem Holz, das sich bei der nächsten Gelegenheit in seiner Feuchte an die relative Luftfeuchtigkeit der Umgebungsluft anpasst, auffeuchtet und quillt. Holz nimmt abhängig von der r.Lf. je nach Art eine spezifische Holzfeuchte, die Sorptionsfeuchte an. Es würde mich mal interessieren, ob in dem Buch noch mehr zur Holzverwendung für Kameras steht. Würde ich mir vielleicht mal aus Interesse anschaffen/ansehen, wenn es sich lohnt.
Re: Zweiverschluss 9x12 im Querformat Bülter und Stammer, unbekannt 4
Hallo Holger, vielleicht habe ich den Beitrag "schwarz, ebenholz polierte Kamera " falsch interpretiert. Ich bin auch kein Holzspezialist und ob das Holz Teak, Kirsche, Nussbaum oder ähnliches ist, stellt die Qualität und die Schönheit der Kamera nicht in Frage und die handwerkliche Leistung bei deren Verarbeitung schon gar nicht. Auf der Suche nach einer Erklärung für die Formbeständigkeit und Funktionalität der alten Bauteile aus Holz habe ich den kleinen Artikel bei Kleffe und Langner gefunden. Das Buch schafft einen interessanten und unterhaltsamen Überblick über die Entwicklung der Kameramodelle Ende des 19. bis zur Hälfte des 20. Jahrhunderts - eher etwas für mich als Laien.
Seit September letzten Jahres bin ich auf das Blende-und-Zeit-Forum gestoßen und habe schon eine ganze Menge über Platten-, Laufboden-, Balgenkameras, Objektive und Verschlüsse gelernt.