in der Presse- und Sportfotografie dominierten in den 1920er Jahren die großformatigen Platten-Spreizenkameras mit Schlitzverschluss. Sie waren sehr schnell schussbereit und boten schnelle Verschlusszeiten, z. T. 1/2000 oder noch kürzer. Eins der bekanntesten Modelle ist die Nettel von Zeiss Ikon. Die Kamera wurde vor 1926 von Contessa Nettel als Deckrullo Nettel angeboten; sie geht aber zurück auf die Vorgängerfirma, das Nettel-Kamerawerk in Sontheim. Deren Deckrouleau-Nettel kam 1909 auf den Markt.
Nach der Fusion Ende 1926 wurde das Contessa-Nettel-Modell ins Zeiss Ikon-Programm übernommen und im März 1927 in Deckrullo umbenannt; seit 1927 war sie als Nettel im Angebot. Die Kamera gab es in verschiedenen Formaten von 4,5x6 bis 13x18; hier sei die Nettel 870/7 im Format 9x12 vorgestellt.
Es handelt sich, wie erwähnt, um eine Spreizenkamera mit Schlitzverschluss. Dieser ist so konstruiert, dass die Verschlussvorhänge das Bildfenster beim Aufzug verdecken, daher die ursprüngliche Bezeichnung der Kamera (frz. rouleau). Der Verschluss bietet Zeiten von 1/3 bis 1/2000 s.; vor 1929 war sogar 1/2800 möglich.
Die Entfernung wird an dem Drehrad an der rechten Seite eingestellt, die Mechanik wirkt direkt auf die Spreizen. Die Fokussierung ist bereits möglich, wenn die Kamera noch gar nicht ausgefahren ist. Die Entriegelung erfolgt durch den Hebel rechts vom Objektiv; nach Druck auf den kleinen Knopf neben der Entfernungsskala kann die Standarte wieder eingefahren werden. Die Mechanik scheint unverwüstlich, sie läuft noch heute präzise und spielfrei.
Das Objektivbrett kann horizontal und vertikal verschoben werden, wenn die drei Knebelschrauben um 90° gedreht wurden. Das Objektiv ist auswechselbar (Schraubgewinde). Das gezeigte Exemplar ist mit dem Basisobjektiv Tessar 4,5/15 ausgestattet; es gab auch lichtstärkere Varianten mit Tessar 3,5 oder Bio-Tessar 2,8/16,5.
Das Mattscheibenrückteil lässt sich gegen übliche Einzel- oder Doppelkassetten austauschen; ich vermute, dass bei einer solchen Kamera auch Filmpackkassetten genutzt wurden. Bei Sport- und Reportageaufnahmen dürfte in erster Linie der Ikonometer zum Einsatz gekommen sein.
Die Nettel war bis 1934 im Angebot; in dieser Ausstattung war sie um 1930 für 430 RM zu haben.
Urheberrechte 1: Keine Scans von Prospekten, Bedienungs-Anleitungen, Prominentenfotos, Kunstobjekten oder Buch/Zeitschriften-Artikeln, die über begründete Bildzitate hinaus gehen.
Urheberrechte 2: Nur selbst aufgenommene Fotos. Keine Fotos auf und in fremden Grundstücken / Gebäuden / Museen, Ausstellungen, Theatern, usw.
Urheberrechte 3: Textpassagen von fremden Quellen vermeiden, höchstens einige Zeilen deutlich als Zitat erkennbar mit genauer Quellenangabe.
Keine Fotos, auf denen Personen erkennbar oder zuord-bar sind, ohne deren schriftliche Genehmigung (DSGVO). Ebenso keine erkennbaren KFZ-Kennzeichen oder Fragmenten davon! !
Fotos: Für beste Darstellung die Fotos (Thumbnails) unter den Textbeiträgen anklicken.
Der Zähler der Vorschaubilder zeigt NICHT die echte Zugriffszahl, die Bild-Anklicke direkt im Text werden nicht gezählt!
ich sehe dieses Spreizenkameras immer wieder gern, insbesondere auch, wenn es sich um so ein feines Exemplar handelt. Die Kameras galten damals ja richtigerweise schnelle Kameras, weil sie schnell in Funktionsbereitschaft kamen und weil sie schnelle Verschlüsse hatten.
Beste Grüße von Haus zu Haus Rainer (Forumbetreiber)
Analog: Aus Negativ wird Positiv. Digital: Pixel sind nicht alles, aber ohne Pixel ist alles nichts.
Hallo, Rainer, sind das nicht eher Mogelverschlüsse? Wir kennen ja alle die Bilder von Schlitzverschlusskameras, bei denen die Rennwagen eiförmige Räder haben. Die reale Geschwindigkeit von Schlitzverschlüssen kann man an der Blitzsynchronzeit sehen, und die war bis in die späten 60er Jahre 1/30stel Sekunde...
Das ist vielleicht ein etwas hartes Wort. Dass solche Schlitzverschlüsse Nachteile hatten wie die berühmten Verzerrungen bei Aufnahmen von Autoreifen, war den Zeitgenossen allerdings bewusst – immerhin gab es auch eine Reihe von Zweiverschlusskameras, bei denen die Vorteile von Schlitz- und Zentralverschluss kombiniert werden konnten.
Eine sehr ausführliche und differenzierte Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile von Zentral-und Schlitzverschlüssen befindet sich übrigens in dem hervorragenden Buch Die photographische Kamera und ihr Zubehör von Karl Pritschow (1931) (S. 527–534). Pritschow diskutiert die Eigenschaften der Verschluss-Systeme unter verschiedenen Aspekten wie effektive Geschwindigkeit, Verhältnis zum Negativformat und zur Lichtstärke, Handhabung und Zuverlässigkeit und geht auch auf konstruktive Details wie Regulierung von Schlitzbreite und Federspannung ein. Das ist recht komplex, und eine eindeutige Antwort gab es wohl nicht.
Pritschow bemerkt aber auch: "Die in der Praxis verhältnismäßig wenig beachtete Verzerrung durch den Schlitzverschluß ist ein nicht zu beseitigender Schönheitsfehler [!] der gerade dann auftritt, wenn der Schlitzverschluß seine Überlegenheit gegenüber dem Zentralverschluß zeigen soll" (S. 530).
klar sind Schlitzverschlüsse (insbesondere bei Großformatkameras) Kompromisse ebenso ist ja auch ein Zentralverschluss ein gewisser Kompromiss, sonst wäre ja nicht der Schlitzverschluss entwickelt worden.
Die hier gezeigte Kamera wurde auch als Modell geeignet für Sport- und Pressefotografie benannt. In diesen Anwendungsbereichen sind Schlitzverschlüsse von Vorteil, aber auch u.u von Nachteil, in Abhängigkeit davon was für Motive aufgenommen werden sollen.
Nicht immer werden Rennwagen aufgenommen, ansonst fallen ja die Verzerrungen (Eier-Effekt) zumeist weniger auf...
Beste Grüße von Haus zu Haus Rainer (Forumbetreiber), ebenso
Analog: Aus Negativ wird Positiv. Digital: Pixel sind nicht alles, aber ohne Pixel ist alles nichts.
in diesen Zeiten sollte man garnichts mehr bierernst nehmen, sonst wird man depressiv.
Für mich war das Thema, dass die Schlitzverschlüsse bei schneller als 1/30stel nicht mit Zentralverschlüssen zu vergleichen waren, sowieso erledigt, als die ersten Schlitzverschlußkameras mit 1/125stel Synchronzeit auf den Markt kamen. Bei einer Ablauflänge von mindestens 24mm (vertikal) müssen die konstruktiv übrigens sicher hohe Belastungen, sprich Beschleunigungen, aushalten. In Quasi Null-Zeit der erste Vorhang, dann die eingestellte Zeit bis 1/125 offen bleiben und dann in Quasi Null-Zeit wieder schließen. Für Zentralverschlüsse ist das irgendwo in einem Buch oder Aufsatz erklärt (Thema: ostdeutsche Kameraindustrie durfte Compur nicht mehr verwenden und musste eigene Zentralverschlüsse entwickeln, die ebendieses auch können - aber mit kleineren, steifen Metall-Lamellen). Und meine Russenleica als auch ihr auf modern geschminktes Nachfolgemodell Revue4 sind mir genauso lieb wie immer. Trotz schwarzem Tuchverschluß, in den sich übrigens mein Schulfreund K, Anfang 60er Jahre, ein Loch hineingebrannte hatte. Keine Ahnung, wobei - vielleicht wollte er Sonnenflecken fotografieren oder sowas.