dieser Beitrag würde auch in den Thread zu den unbekannten Plattenkameras passen. Denn nicht nur unbezeichnete Kameras werfen Probleme auf, sondern auch solche, die Hersteller- und Modellbezeichnungen tragen, können Schwierigkeiten bei der Zuordnung machen. Dazu gehört die Ica Delta 76:
Es handelt sich um eine auf den ersten Blick wenig spektakuläre Laufbodenkamera für Platten 6,5x9. Sie hat einen einfachen Auszug, die Entfernungseinstellung erfolgt auf die einfachste Weise mittels manueller Verschiebung auf dem Laufboden: Kein Radialhebel, kein Zahntrieb, relativ simpel wie bei Schülerkameras. Das Objektivbrett kann vertikal und horizontal verschoben werden, als Sucher fungiert ein Brillantsucher mit Libelle. Es passen Rückteile mit Normalfalz. Nicht zur einfachen Ausstattung passt die Objektivbestückung: Verbaut ist ein Tessar 4,5/10,5 in Compur – Besseres gab es auch in der Ica Ideal nicht. Als Rückteil habe ich den Rectoskop-Spiegelansatz montiert, den ich an anderer Stelle schon einmal vorgestellt habe.
Das eigentlich Ungewöhnliche an dieser Kamera ist die Tatsache, dass sie weder in den zeitgenössischen Ica-Katalogen noch in irgendeinem der einschlägigen Sammlerkataloge verzeichnet ist: Kadlubek, Kerkmann, McKeown, Cornwall, Auer, Abring – allesamt negativ. Auch das umfangreiche Carl Zeiss Kamera-Register von Bernd K. Otto verzeichnet diese Kamera nicht. Die Seriennummer hat den Buchstabencode J, die Kamera dürfte also im Zeitraum 1922–24 gebaut worden sein. Dazu passt die Objektiv-Seriennummer. Ich habe die Ica-Kataloge 1922 und 1925, dort kommt sie nicht vor. Nicht ausgeschlossen, dass sie nur in den Katalogen 1923/24 verzeichnet war – Otto hat aber m.W. alle Druckschriften ausgewertet und listet die Ica-Kameras sonst vollständig auf.
Otto verweist in der Beschreibung der Delta 208 auf eine schwedische Händlerliste, die im Zeitraum 1929–1933 auch eine Delta 76 verzeichnet habe, und vermutet, dass es sich um eine Exportversion der Tessco 76 gehandelt haben könne. Die Tessco weist aber eine ganz andere Ausstattung auf, besitzt das Format 9x12 und stammt von Contessa Nettel; das vorliegende Modell ist eindeutig als Ica gekennzeichnet. Dass es sich um ein Exportmodell handeln könnte, darauf verweist die Beschriftung des Compur ("Germany" auf Betriebsartenrad und Angabe dt. Patente in engl. Sprache).
Die Kamera ist allerdings kein Einzelstück – ich hatte bis vor einiger Zeit ein weiteres Exemplar (allerdings mit Novar in Automat-Verschluss mit deutscher Beschriftung; mittlerweile verkauft), und im Netz finden sich ein paar weitere Belege, z. B. bei collectiblend.
Möglicherweise handelt es sich also um ein Exportmodell, das in deutschen Katalogen nicht gelistet war. Dann wäre aber anzunehmen, dass ein vorhandenes Modell modifiziert wurde. Eine Kamera mit gleichem Gehäuse ist mir aber nicht bekannt. Unklar auch, warum man ein so simples Modell mit Tessar in Compur ausgestattet hat...
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Rainer:könnte es sein, dass das Objektiv / Verschluß-Modul von einer anderen Kamera stammt?
Das kann ich nicht völlig ausschließen – das wäre immerhin eine mögliche Erklärung für die gute Bestückung. Dann könnte es eine zeitgenössische Modifikation (ab Werk?) sein, denn das Baujahr des Tessars passt zu dem der Kamera, und der Compur (lt. Seriennummer um 1920) ist mit Ica gekennzeichnet. Dann stellt sich allerdings die Frage, warum man einen Export-Verschluss gewählt hat. Ach ja, das habe ich ganz vergessen: Auf der Entfernungsskala sind Meter-Angaben. – Es ist sicherlich keine spätere Laien-Bastelarbeit, am Konterring sind jedenfalls keine Spuren zu erkennen.