hier eine TLR für das 'Kleinbildformat' 3x4 cm, das in den frühen 1930er Jahre populär war: Eine Pilot (manchmal auch Pilot-Reflex genannt) der Kamera-Werkstätten Guthe & Thorsch, Dresden.
Es handelt sich um eine Spreizenkamera für den Rollfilm 127. Bestückt ist dieses Exemplar mit einem Tessar 3,5/5 in Ring-Compur 1–1/300. Die Modellbezeichnung ist in Schreibschrift ausgeführt, bei späteren Exemplaren in Druckschrift. [Im Folgebeitrag unten auch eine Variante mit Friedrich Coronar.]
Die Kamera ist durchdacht, sehr gediegen verarbeitet und noch immer funktionstüchtig. Durch die Spreizenbauweise ist sie sehr kompakt. Bei Druck auf einen seitlichen Knopf springt das Vorderteil heraus, und der Lichtschacht öffnet sich. Der Filmtransport erfolgt über einen Schnellschalthebel; mit zwei Hebelschwüngen wird der Film um ein Bild transportiert. Der Stand ist an einem Zählwerk ablesbar; das Rotfenster auf der Rückseite dient nur zum Filmeinlegen.
Weil bei normaler Kamerahaltung ein Querformat belichtet wird und Hochformataufnahmen zu Verrenkungen führen würden, gibt es seitlich einen optischen Sucher, mit dem Hochformataufnahmen aus Augenhöhe möglich sind. Die Pilot wurde ab etwa 1931 angeboten; im Katalog 1931 von Photo-Matthias (Dresden) kostet sie in dieser Ausführung 193,50 RM.
hier mal noch zur Ergänzung eine weiter Ausführung der KW Pilot 3x4. (Siehe Startbeitrag des Threads) Mein Exemplar besitzt im Gegensatz zum oben gezeigten ein C. Friedrich München Coronar 5 cm f/3.5 F (# 149151). Ansonsten handelt es sich ebenfalls um ein frühes Modell mit der Modellbezeichnung in Schreibschrift.
Ein weiterer Unterschied ist das Vorhandensein einer Seriennummer (# 1734) bei meinem Modell. Warum die Nummer bei der Kamera von Jan fehlt, ist mir nicht bekannt – man findet aber im Netz noch weitere Modelle ohne Seriennummer.
Es ist durchaus möglich, dass die Pilot bereits ab Ende 1930 angeboten wurde, da die drei wesentlichen Patente ebenfalls auf Ende 1930 datieren (anbei die Patentzeichnungen). Es folgten später noch zwei ergänzende Patente.
Die Kamera ist nach wie vor funktionstüchtig und die Probebilder (auf Fomapan 100) sind auch ganz gut geworden. Einzig der Filmtransport scheint nicht mehr ganz zuverlässig: die Abstände zwischen den Bildern sind teilweise recht unterschiedlich und es gab auch zwei leichte Überlappungen.
Hier noch ein Ausschnitt aus einer zeitgenössischen Werbung – Pilot verwendet Pilot.
Glückwunsch, schönes Stück! Ob das Coronar die Originalbestückung ist oder nachträglich als Ersatz eingebaut wurde, wird sich wohl nicht mehr ermitteln lassen. In den Katalogen (z. B Photo-Matthias) sind Schneider- und CZJ-Objektive gelistet; die längste Liste hat Cornwall (1979, S. 119) – demnach gab es die Pilot mit Radionar 3,5, Xenar 3,5 und 2,9, Xenon 2,0/45, Meyer Primotar und Makroplasmat sowie Tessar 3,5 und 2,8 und Biotar 2,0/45. Interessant auch der Hinweis auf die Seriennummer; an meinem Exemplar habe ich auch an anderen Stellen keine gefunden.
das Coronar habe ich auch noch nicht woanders gesehen, aber vielleicht gibt es ja irgendwann noch ein Hinweis. Für die Liste der verbauten Objektive findet man neben den von Dir genannten auch noch das Elmar 3.5 und ein nicht näher spezifiziertes Steinheil 2.9 (vermutlich Cassar).
Anbei mal noch eine zeitgenössische Vorstellung der Kamera (Atelier des Photographen-Heft-9-1931-Bl-VIII).
ost Simon schrieb an Bae mit der Bitte, den Text und da Bild ins Forum zu bringen:
Hallo zurück,
der Kommentar zu der Diskussion um die 3x4 Pilot hat etwas gedauert, denn ich musste die Kamera erst ausgraben.
Allerdings habe ich mich bisher immer noch nicht angemeldet und weiß auch noch nicht, wie man in den laufenden Dialog etwas einführt, deshalb schicke ich den Text mal wieder hier mit und hoffe, dass er weitergeleitet werden kann. Das Ding ist ohnehin einer meiner Lieblinge in der 3x4-Welt und verdient viel mehr Aufmerksamkeit.
Und es geht los:
Zur Pilot:
Danke für die schöne Bebilderung dieser ersten Version der Pilot und auch für die liebevolle Beschreibung dieser wirklich außergewöhnlichen Kamera.
Ich würde zu den aufgeworfenen Fragen gerne etwas hinzugeben.
Zuerst mal ein Bild der zweiten Version mit der bogenförmigen PILOT-Schrift:
Dabei ist ein bisher nicht genannter, aber wesentlicher Unterschied festzuhalten. Die Pilot hatte ursprünglich einen fest mit dem Körper verbundenen Trageriemen - was es in der Vitrine etwas schwierig macht, sie ordentlich unterzubringen. (So was ähnliches kenne ich nur noch von sehr viel später: bei der Nizo 1000 von Braun, wo der „Taschendeckel“ ein fester Teil der Kamera ist).
Bei der zweiten Version der Pilot hat man das offensichtlich auch so gesehen und einhakbare „Klampen“ angebracht, womit zwar immer noch ein Spezialriemen erforderlich war, aber jetzt konnte er abgenommen werden.
Zu den Nummern – meine beiden Versionen haben Nummern, die erste im 1.2xx-er, die zweite im 3.3xx-er Bereich. Wobei das Xenar 2,9 laut Thiele mit dem 23.11.1931 datiert ist und das Tessar 2,8 von Anfang 1933 stammt. Da bleibt nicht viel Platz davor für Kameras ohne Nummer – vor allem, wenn man davon ausgeht, dass die Nummernreihe mit 1.000 begonnen haben dürfte.
Zu den Optiken: Auffällig ist hierbei – mit absoluten Parallelen zur Kolibri, zur Dreivier und/oder der Pupille – dass die superlichtstarken „Nacht“-Objektive (was die 2,0er damals waren) besonders gesucht und auch entsprechend teuer sind (oft vierstellig), aber die noch viel rareren Zwischengrößen, also 2,8/2,9, bei Auktionen oder Börsen so gut wie keinen Zuschlag kosten. Am krassesten ist es hier bei der Pupille – alles stürzt sich auf das 3,5 Elmar oder 2,0 Xenon, während die superraren 2,8 Tessare schlicht missachtet werden. Umso besser für uns Spezialsammler …
Was auch nicht erwähnt wurde und was die Pilot zu etwas ganz Besonderem macht, ist ihr Filmtransport. Schon von Anfang an stellte man mit dem „einzelnen“ Rotfenster nur den Filmanfang ein, danach übernahm der Schnelltransporthebel und ein Bildzählwerk. Dadurch wurde die etwas großzügige Rückennummerierung der Filme ausgehebelt und die Pilot machte so 18 Bilder auf einen Film statt der üblichen 16. Das findet sich an keiner anderen 3x4-Kamera. Wobei der Schnelltransporthebel durchaus ein absoluter Meilenstein in der Kameratechnik sein dürfte. Müsste man noch nachschauen – der nächste, den ich kenne, ist an der Retina II Typ 122 von 1936. Er ist ergomanisch zig-fach besser als die Kurbel an der Rolleiflex – und die kam erst ein Jahr später. Vielleicht hatte man bei KW diese Lösung zu gut geschützt?
Und zum Schluss noch ein Detail: Die „Pilotin“ in dem Pilot-Prospekt war keine anonyme Werbefigur, sondern das war die damals wohlbekannte Fliegerin Elly Beinhorn. Sie war sozusagen die deutsche Amelia Ehrhardt und ihre „Traumhochzeit“ mit dem damals wohl umschwärmtesten Rennfahrer Bernd Rosemeyer hat der damaligen Regenbogenpresse für Monate Stoff geliefert.
Noch ein letztes Detail – die Pilot gehörte zu den wenigen 3x4-Kameras, die noch weit über die Boomzeit von 1930 bis 1935 gebaut wurde. Die Mehrheit der deutschen Hersteller war da schon längst auf das von der Retina angestoßene 35mm-Format übergelaufen.
Jost Simon, Esslingen Das war`s dann. Das Original-Bild in besserer Auflösung hänge ich noch an.
und herzlichen Dank an Jost für die sehr umfassenden Informationen zur 3x4 Pilot. Das lässt sich wieder einmal sehr spannend lesen!
Die Sache mit den fehlenden Seriennummern gibt natürlich immer noch zu rätseln...
Besonders spannend finde ich auch die Information zur Pilotin auf der Werbeaufnahme. Eine einfache Suche im Internet zeigt Elly Beinhorn auch mit einer Leica posierend. Das wäre sicher auch mal ein spannendes Thema: "Berühmte Personen in der Kamerawerbung".
schön, dass das Forum wieder zugänglich ist (ich hatte auch das Problem mit der Provider-Werbeseite)!
Herzlichen Dank an Axel und Jost für all die Informationen! – Zum Schnellschalthebel fällt mir noch die Ihagee Parvola ein, die zumindest in der Zweiformatausführung mit Schnellschalthebel als Sonderausstattung erhältlich war. Viele Exemplare scheint es aber nicht davon gegeben zu haben; ich kenne die Variante nur aus der Literatur.
Heute habe ich wieder die Ehre, für Jost Simon Folgendes ans Forum weiterzuleiten:
Hallo,
hab jetzt mehrfach versucht, mich wieder anzumelden - natürlich auch über Passwort vergessen. Aber ich krieg halt nix.
Deswegen wieder mal eine indirekte Stellungnahme zu den Stellungsnahmen, die dort in Sachen KW Pilot eingelaufen sind.
Erstmal danke für das Lob - tut immer gut.
Dann zum Schnellschalthebel an der Pilot - da wurde der an der Parvola genannt. Also - einmal ist der "Lichtjahre" später. In der sogenannten Schlussphase, die frühestens 1935 gewesen sein dürfte - wahrscheinlich eher 37 bis 38. Müsste man über die Objektivnummern noch mal nachprüfen. Selbst der Exakta-Hebel kam erst 1935.
Zum Zweiten: der Parvola-Hebel bewegt nur den Film, man muss trotzdem den Panschieber aufmachen und die Zahl einstellen. Die Pilot machte das schon 1931 automatisch.
Ansonsten Parvola: Ganz vorne beim Wettbewerb und den schönsten Standfuß und es bleibt die Frage, warum der Name so ein verbogenes Latein ist. Sie müsste eigentlich Parvula heißen (= die Kleine), aber warum das "o"?
Und zur Prominenz als Werbung für Kameras: Im Moment fällt mir dazu nur noch Minox ein, die eine Anzeigenserie mit Prominenten hatte. Speziell erinnere ich mich dabei an eine Anzeige, die "Ike" Eisenhower" mit der Minox zeigte - zwar gezeichnet, aber realistisch von einer Photographie übertragen.
Hoffe, dass ich demnächst mal regulär hier reinkomme. Noch werde ich verschmäht.