Heute möchte ich eine besondere Kamera vorstellen, die sowjetische Spiegelreflexkamera KMZ „Start“, die mit ihren ca. 900 Gramm so unverwüstlich und solide wirkt, als wäre sie einst für eine russische Mondlandung gebaut worden.
Die reinen Daten bringen die interessanten Eigenschaften dieser Kamera nur ansatzweise zum Ausdruck:
• Baujahr: 1958-1964 (ca. 70.000 Ex.) • Hersteller: KMZ (Krasnogorski Mekhanicheskii Zavod, UdSSR) • Format: KB (24 x 36mm) • Objektivanschluss: Bajonettanschluss (mit Anziehring) • Objektiv: „Helios-44-2“ (2/58) • Blenden: 2 bis 16 • Verschluss: horizontal laufender Tuch-Schlitzverschluss • Belichtungszeiten: B, 1, 1/2, 1/4, 1/8, 1/15, 1/60, 1/125, 1/250, 1/500, 1/1000; das Zeitenrad dreht sich beim Spannen mit (nur zu bewegen, wenn die Kamera zuvor gespannt wurde!) • Fokussierung: 0,7 m bis ∞ (manuell) • Blitz: 2 Synchronkontakte (Einstellsymbole ‚Blitz‘ und ‚Lampe‘) • Belichtungsmesser: --- • Filmzählwerk: Zählrad (umgibt den Auslöser), vorwärts zählend • Sucher: Prismensucher (Schnittbildentfernungsmesser), gegen Schachtsucher austauschbar • Filmtransport: Schnelltransporthebel • Selbstauslöser: ja, Hebel auf der Kamerafront, wird mit separatem, darüber liegendem Auslöseknopf gestartet (benötigte Blende muss vor dem Auslösen durch Drehen des großen Auslösestiftes fixiert werden!) • Filmtyp-Merkscheibe: ja (mit den russischen GOST- Filmempfindlichkeitsintervallen 11 - 22 - 45 - 90 - 180 - 350) • Rückspulmechanismus: Entriegelung mittels eines Knopfes zwischen Auslöser und Zeitenrad • Batterie: --- • Besonderheiten: abnehmbare Rückwand; Beschriftung kyrillisch „смарм“, beim Exportmodell lateinisch „Start“ (Schreibschrift); eingebauter Filmschneider und Metallkapsel zur Aufnahme des belichteten Filmstreifens (!); Druckblende; riesiger Auslöser (der „Exakta“ vergleichbar) • Zubehör: Bereitschaftstasche
Die Kamera ist schwer und wuchtig. Sie lässt jede Eleganz vermissen. Dafür liegt sie sicher in der Hand, ist sehr zuverlässig und zeigt ein klares, helles Sucherbild.
Das Ungewöhnlichste ist der monumentale Auslöser, der auch ergonomisch nicht recht passt, weil man den Finger viel zu weit strecken muss. Andererseits führt er dazu, dass man die Kamera wirklich fest in der Hand hat, und da sie als Profikamera für den schnellen Einsatz unterwegs, z.B. von Reportern, gedacht war, ist das durchaus zweckdienlich.
Dem Konzept einer Profikamera verdankt sich offenbar auch der ungewöhnliche Filmschneider: Mit dem Messer konnte man den Film vorzeitig kappen, wenn man keine Zeit hatte, ihn bis zu letzten Aufnahme zu verbrauchen, den belichteten Teil in die Metallpatrone ziehen, entnehmen und unverzüglich entwickeln. Auch diese Funktion werden Profis wie Journalisten, Dokumentarfotografen, Spione usw. sehr geschätzt haben.
Das schwere sechslinsige „Helios“-Objektiv hat eine Springblende. Der Auslösestift kann nur halb gedrückt werden und schließt dann die Blende zur Tiefenschärfe-Kontrolle, drückt man weiter, löst die Kamera schließlich aus. Auch durch das Drehen des Stiftes kann man die eingestellte Blende fixieren. Das ist besonders bei Benutzung des Selbstauslösers wichtig, der zwar mit unglaublichem Lärm präzise abläuft, aber nicht mit der Automatikblende gekuppelt ist.
Dass man den Zeitenknopf nur bei gespanntem Verschluss betätigen kann, ist ungewöhnlich. Als ich die Kamera neu hatte und das nicht wusste, habe ich zunächst dilettantisch an ihm herumgedreht und mich gewundert, glücklicherweise aber nichts beschädigt. Auch darf das Zeitenrad nicht über den Strich hinter Sekunde 1 weitergedreht werden. Man muss also etwas mitdenken. Die Zeiten liegen so eng beieinander, dass die exakte Einstellung schwierig ist und man nie genau weiß, ob das Rad jetzt bei 1/8 oder bei 1/15 eingerastet ist.
Trotzdem liebe ich diese Kamera. Das ist russische Wertarbeit mit originellen Details und ermöglicht analoges Fotografieren pur, auch weil man beim Fotografieren wirklich richtig was ‚in der Hand hat‘.
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Interessante Kamera, ebenso wie die Ausführungen dazu. Aber einen Gedanken kann ich nicht recht nachvollziehen: Der Film wird von links nach rechts transportiert, d.h. der belichtete Teil liegt erstmal rechts. Wenn ich also mit dem Messer nach z.B. 10 Aufnahmen links abschneide, bleibt der unbelichtete Film in der Patrone und der belichtete muß im Dunkeln aus der Kamera entfernt werden. Ich habe mit einer Exakta Varex VX 1000, die ein ähnliches Filmmesser hat, im Studium gearbeitet. Man konnte nach Aufnahmenreihen im Labor von weniger als 36 Aufnahmen den Film hier auch vorzeitig trennen, ist mit der Kamera in die Dunkelkammer gegangen und hat den belichteten Teil in die Dose zum entwickeln gespult. Das sparte Filmmaterial, wäre aber zumindest für z.B. Spione eine umständliche Handhabung gewesen. Man sollte aber nach dem letzten Bild noch mindestens eine "Leerbelichtung " gemacht haben, sonst fehlte eins, da bei der Exakta nach dem Bildfenster abgeschnitten wurde. Insofern hatten die russischen Ingenieure hier weiter gedacht und das Messer VOR dem Filmfenster plaziert.
Viel Spaß noch mit dem Teil
Karl Knips
Im Kopf entsteht das Bild, danach erst in der Kamera.
dazu diente eben die zur Kamera gehörige Metallpatrone rechts: Nach dem Abschneiden zieht man den belichteten Filmteil mit dem Spannhebel und mehreren Blindauslösungen ganz in die Patrone hinein und kann sie dann normal bei Licht entnehmen. Man fädelt ja den Film in der "Start" von Anfang an in diese Patrone ein (wenn sie nicht verloren gegangen ist...) und nicht auf eine offene Spule. Die Metallpatrone selber muss dann freilich in der Dunkelkammer geöffnet und der Film dort entnommen werden. Mit dem in der eigentlichen Filmpatrone links zurückgebliebenen unbelichteten Stück Film kann man dann weiterfotografieren, wenn man es neu einfädelt, z.B. auf eine Spule. Wie gut der Cutter schneidet, habe ich allerdings noch nicht ausprobiert.
Eine Besonderheit war der Bajonett/M39-Adapter, der jeder Start beigelegt wurde. Dieses Teil, von dem es also jede Menge gegeben hat, gehört inzwischen zu den absoluten Raritäten. Eine Systemkamera ohne System!