seit Anfang 2017 interessiere ich mich für Rollfilmkameras 3x4 und habe dabei festgestellt, dass diese Kameras im Grunde recht häufig sind und es möglich ist, in einem überschaubaren Zeitraum die wichtigsten Modelle und ihre Varianten zusammenzutragen. Was mir bislang fehlte bzw. fehlt, sind einerseits die hochklassigen Plaubel Makinette und Mentor Dreivier – Kameras, die immer mal wieder für vierstellige Beträge angeboten werden –, sowie andererseits die Thowe Thowette, eine eher schlichte Tubuskamera von 1932 (--> http://camera-wiki.org/wiki/Thowe#Camera_list).
Dass Kadlubek für diese Kamera seinerzeit einen Marktpreis von 190 € ansetzt, deutet eigentlich darauf hin, dass sie nicht so selten ist. Tatsächlich ist mir aber in diesen Jahren trotz regelmäßiger Suche kein einziges Exemplar begegnet (seit Januar wird immerhin in Übersee für 750 USD eins angeboten). Ich hatte weniger Glück als Mike Eckman, der 2019 eine (ihm unbekannte) Thowette gefunden hat (" the price was cheap enough I took a gamble") (--> https://www.mikeeckman.com/2019/05/thowe-thowette-1929/).
Selbst Jost Simon, der seit 2001 in Photographica Cabinett eine ganze Reihe von Beiträgen zum Thema 3x4 publiziert hat und den Bereich überblickt, stellt erst 2022 seine Thowette vor, die er 2021 nach jahrelanger Suche im Rahmen einer Breker-Auktion erwerben konnte (s. Photographica Cabinett 84, S. 78–81). Es handelt sich offenbar doch um eine ausgesprochen seltene Kamera, was wohl damit zu erklären ist, dass die Thowette 1932 auf den Markt kam, Thowe die Kameraproduktion aber schon 1933 einstellte.
Was andererseits schon seit mindestens 2020 längere Zeit vergeblich angeboten wurde, ist eine Kamera, die man als (einfache) Variante der Thowette ansehen kann; sie trägt die Bezeichnung Maja.
Die Kamera erschien mir wegen der einfachen Ausstattung, des insgesamt mäßigen Zustands und einer offensichtlichen Modifikation (Näheres unten) bislang nur bedingt attraktiv; da es sich aber um das bislang einzige dokumentierte Exemplar dieses Modells zu handeln scheint und dieses ansonsten mit der Thowette übereinstimmt, soll es vorläufig die Lücke in meiner Sammlung schließen. Die Kamera soll hier vorgestellt und eingeordnet werden.
Ob nun Thowette oder Maja: Es handelt sich um eine Rollfilmkamera für das Format 3x4 (Rollfilm A8 bzw. 127), die als Tubuskamera konstruiert ist; dieses Merkmal teilt sie mit Modellen wie Zeiss Ikon Kolibri, Ihagee Parvola und Ising Puck. In der Thowe-Liste von 1932 heißt es diesbezüglich zur Thowette: „Ein Zug am Verschluß und – die Kamera ist aufnahmebereit. Der Balgen ist durch zwei ineinander verschiebbare Rohrstutzen ersetzt. Dadurch erhält das Objektiv eine unbedingt sichere und stabile Auflage, so daß gestochen scharfe Aufnahmen gewährleistet sind, die sich beliebig vergrößern lassen."
Die Mechanik funktioniert durchaus zuverlässig; am großen Ring wird der Tubus herausgezogen, mit einer kleiner Drehung nach rechts wird der Verschluss in Aufnahmeposition arretiert.
Die Ausstattung ist typisch für die Kameraklasse: Sie besitzt ein schwarz beledertes Metallgehäuse mit angelenkter Rückwand; der Filmtransport erfolgt über ein Drehrad unter Beobachtung zweier Rotfenster, als Sucher dient je nach Ausstattung ein klappbarer Rahmensucher oder ein Newtonsucher. Im vorliegenden Fall ist ein Klapp-Rahmensucher verbaut, der durch Betätigung eines seitlichen Hebels in Aufnahmebereitschaft springt.
Das Kameragehäuse aus Blech ist in Konstruktion und Abmessungen den Kameras der Mitbewerber sehr ähnlich, wie ein Vergleich mit Kochmann Korelle und Welta Gucki zeigt.
Die Thowette war lt. Liste H (1932), die mir Axel freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat, in diversen Verschluss-Objektiv-Kombinationen lieferbar – vom einfachen Friedrich Corygon 4,5/50 in Vario oder Pronto-S bis zum Xenar 2,9/50 in Compur. Die besseren Versionen besaßen Schneckengangfokussierung, bei den einfacheren erfolgt die Entfernungseinstellung über die Frontlinse. Die Preise lagen zwischen 32,50 für das Basismodell und 95 RM für die teuerste Variante.
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Die hier nun vorliegende Maja war zunächst mit einem mit Thowe bezeichneten einfachen Selbstspannverschluss 1/25–1/100 – dahinter dürfte sich ein Vario verbergen – ausgestattet, der für Frontlinsenfokussierung ausgelegt ist. Interessanterweise reicht die Blendenskala nur bis 8, an dieser Stelle stößt der Blendenhebel an der Unterseite auch an eine Anschlagschraube.
Lichtstärke 1:8 kenne ich bislang nur von Helios-Objektiven aus der Zeit um 1912, aber nicht von einer ‚Kleinbildkamera‘ von 1932. Beim vorliegenden Exemplar ist offenbar einmal versucht worden, den Blendenhebel weiter zu drehen – mit dem Ergebnis, dass die Lamellen herausgesprungen und verhakt sind. Dazu passt der Befund, dass das hier eingesetzte Objektiv ein Rodenstock Trinar 4,5/7,5 cm ist. Die Brennweite ist also für das Format 3x4 zu lang (üblich sind 50 mm oder auch 55 mm bei der Voigtländer Perkeo) und die Öffnung für den Verschluss zu groß. Es kann sich auch deshalb nicht um die Originalbestückung handeln, weil das Objektiv nicht für Frontlinsenfokussierung ausgelegt ist, sondern für Gesamtverstellung: Eine Entfernungseinstellung ist mit dieser Kamera nicht möglich! Hinzu kommt, dass das Trinar lt. Seriennummer ins Jahr 1936 zu datieren ist; in diesem Jahr existierte die Fa. Thowe schon nicht mehr…
Es liegt die Vermutung nahe, dass hier jemand nachträglich ein (zumindest mechanisch passendes) fremdes Objektiv-Vorderteil eingesetzt hat; vermutlich ist aber auch der Verschluss mit der größten Öffnung f 8 nicht die originale Bestückung.
Hartmut Thiele und Jan Beenken stellen in ihrem instruktiven Artikel zur Geschichte der Thowe-Werke (Photo-Antiquaria 145, 2020, S. 12–20) diverse Thowe-Kameras vor, darunter auch die Thowette. In diesem Zusammenhang erwähnen sie unter Berufung auf die Verkaufsanzeige das mir vorliegende Maja-Exemplar, das sie als „abgespeckte Thowette“ einstufen, als „Billigkamera“ (S. 20). So etwas gab es auch bei anderen Herstellern, man denke an die Modelle Pupille und Ranca von Nagel. Jedoch waren, wie oben erwähnt, auch für die Thowette einfache Varianten vorgesehen; eines gesonderten – in der Thowe-Liste auch nicht aufgeführten – Modells hätte es da gar nicht bedurft. Es bleibt ohne weiteren Nachweis also unklar, ob es sich bei der Maja um eine Namensvariante (evtl. Handelsmarke), einen Protyp, eine Sonderausführung oder doch ein eigenständiges Modell handelt.
Auf jeden Fall ist die Bezeichnung Maja für Thowe ungewöhnlich, da die Thowe-Kameras entweder nur Modellnummern tragen oder zumindest einen Bezug zum Herstellernamen besitzen (Thowette, übrigens auch eine 4,5x6-Plattenkamera); lediglich das Modell Lux (--> https://blende-und-zeit.sirutor-und-comp...&thread=269) fällt noch aus der Reihe. – Weibliche Vornamen als Modellbezeichnungen sind nicht ungewöhnlich, man denke an Lotte oder Edith eines anderen Freitaler Unternehmens; eine 3x4 aus Dresden heißt Dolly usw. In meinen Aufzeichnungen zu 3x4-Kameras habe ich auch umgelabelte Balda-Kameras mit der Bezeichnung Sonja gefunden; vielleicht war Maja die 'Schwester' einer solchen Handelsmarken-Sonja? Leider lassen die Abbildungen keinen Vergleich der Schriftgestaltung zu, daher bleibt das vorerst Spekulation.
Auf die eigenartige Objektivbestückung gehen Thiele und Beenken übrigens nicht ein; bemerkenswert ist aber, dass sie bei einer anderen abgebildeten Thowette ein Trioplan 2,7 mit ebenfalls 75 mm zuordnen (S. 20). Ob es sich hier um einen Druckfehler handelt oder die Kamera wirklich mit einem 75-mm-Objektiv ausgestattet ist, lässt sich nicht sagen. Wie auch immer es zu dieser Bestückung gekommen ist: Bei der vorliegenden Kamera handelt es sich unzweifelhaft um eine mit der Thowette baugleiche Kamera, die nachträglich verändert (und dadurch unbrauchbar gemacht wurde).
Das ließ sich aber ändern: Auch wenn es sicherlich schön wäre, den Thowe-Verschluss zu erhalten, erschien mir der Einbau eines wirklich authentischen zeitgenössischen Verschlusses mit einem von Thowe seinerzeit offerierten Objektiv sinnvoller. Erfreulicherweise befand sich in meinem Fundus ein Steinheil Actinar 4,5/5 in Pronto S, den ich einer defekten Certo Dolly A entnommen hatte. Dieser Verschluss ließ sich problemlos an die Maja verpflanzen (nur das Auflagemaß muss ich gelegentlich noch einmal genauer kontrollieren) – voilà:
Diese Kombination sieht 1932 auch die angesprochene Thowette-Preisliste vor, 42 RM wurden dafür aufgerufen.
das ist eine wirklich schöne, seltene und vor allem spannende Kamera! Glückwunsch!
Auf Grundlage des von Dir vorgestellten Befundes würde ich davon ausgehen, dass die Kamera nicht nur von Thowe gebaut, sondern auch als "Maja" mit 1:8 Optik von Thowe vertrieben wurde. Der original beschriftete Thowe-Verschluss weist deutlich in diese Richtung. Mit der 'billigen' Optik hätte man die Kamera sicher auch noch ein ganzes Stück preiswerter anbieten/herstellen können, als mit dem Friedrich-Corygon 1:4.5 (die billigste Thowette-Ausstattung).
Das gab es übrigens auch bei anderen Herstellern von eigentlich wertigen 3x4-Kameras. So berichtet das Photofreund Jahrbuch 1934: "Interessant ist ferner, daß das Certo-Kamera-Werk einen der Hauptvorteile der Box-Kamera auch auf die kleine, flache Spring-Kamera Dolly 3x4, die bequem in die Westentasche gesteckt werden kann, übertragen hat. Es stattet nämlich die Kamera jetzt mit einem scharf zeichnenden Doppel-Objektiv Certomat 1:8 aus, welches unscharfe Bilder infolge falsch geschätzter Entfernung unmöglich macht."
Selten wird die Kamera mit Sicherheit sein, da das Modell wohl nach der Thowette auf den Markt kam, aber Thowe (wie Du schon erwähnt hast) die Kameraproduktion 1933 einstellte.
herzlichen Dank für diesen wertvollen Hinweis! 3x4-Kameras miit solchen Einfach-Objektiven sind mir bislang – abgesehen von der Zweiformatkamera Ruberg Futuro – gar nicht aufgefallen; was Du unter Hinweis auf die vereinfachte Dolly schreibst, ist aber sehr plausibel. Dazu würde auch ein weiterer Befund passen, den ich gar nicht erwähnt habe, weil ich den Verschluss nicht für die Originalbestückung hielt: In die Rückseite des Verschlusses wird nicht wie üblich das hintere Element des Objektivs eingeschraubt, vielmehr befindet sich hier eine einfache Linse, die mit einem Sicherungsring fixiert ist:
Auch das deutet auf die Bestückung mit einem simplen, boxartigen Doppel-Objektiv 1:8 hin. Wenn es sich also doch um die Originalbestückung handeln sollte, spräche das in der Tat für ein eigenständiges, besonders preiswertes Modell. – Und jetzt spekuliere ich noch ein bisschen: Von Balda gab es ja seit 1932 die Modellreihe der Micky-Rollboxen (z. B. Mickyrelle 3x4: https://blende-und-zeit.sirutor-und-comp...4&page=6#52), deren Zielgruppe Kinder waren. Die Biene Maja war Anfang des 20. Jh.s (lange vor der Zeichentrickserie!) als Kinderbuch sehr populär – da könnte der Name Maja für ein Kameramodell ja durchaus passend gewesen sein. Aber, wie gesagt, Spekulation.
Ich muss mal sehen, dass ich den Verschluss wieder hinbekomme (die Blendenlamellen müssen sortiert werden); vielleicht finde ich auch mal ein passendes Einfach-Objektiv, dann kann ich die Kamera wieder in den vermuteten Originalzustand versetzen. Vorerst bleibt es bei der zur Thowette 'getunten' Maja 4,5...
Stimmt, solche Einfachkameras (wozu auch die erwähnte Futuro gehört) gab es auch in diesem Format. Ich dachte eher an 'Sparversionen' sonst 'vollwertiger' Kameras wie die von Dir genannten Dolly; solche Versionen waren mir bislang unbekannt. Aber Vergleichbares gibt es in einem anderen Segment – die Ica Alpha 490 besitzt das Gehäuse einer Icarette 6x6, ist aber mit Einzeitenverschluss und einem simplen Periscop 1:12,5 ausgestattet; sogar eine Spreize hat man eingespart...