Ich möchte heue eine eindrucksvolle Laufbodenkamera vorstellen, die über 100 Jahre alt ist und noch immer funktioniert, die „Kodak 3A Autographic Special (Modell B)“:


Marke: Eastman Kodak Company (Rochester)
Baujahr: 1921 (laut Patentschriftenregister im Deckel)
Film: Rollfilm 122 (nicht mehr erhältlich)
Sucher: heller Kristallsucher (mit Optik)
Aufnahmeformat: 8 x 14 cm ("Postkartengröße")
Verschluss: Compur (T, B, 1, 1/2, 1/5, 1/10, 1/25, 1/50, 1/100, 1/200 Sek.)
Objektiv: Carl Zeiss Tessar (1:6,3 – f=16,5 cm)
Blenden: 6,3 – 8 – 11 – 16 – 22 -32 – 45
Entfernungsskala: 2 - 30 Meter (+ feet-Skala)
Entfernungsmesser: gekoppelter Schnittbildentfernungsmesser (!)
Besonderheiten: Autographic-Funktion, Drahtauslöser-Anschluss, Objektiv vertikal verstellbar, ausklappbare Stützen für horizontale und vertikale Aufstellung, Stativgewinde (1/4 Zoll)
Die Kamera ist nicht nur ein Schmuckstück, sondern funktioniert auch noch tadellos (nur die langen Zeiten sind zu kurz). Spektakulär ist der Schnittbildentfernungsmesser, der erste in der Kamerageschichte: Man schaut links an der Seite in den Entfernungsmesser hinein, sieht dann 90 Grad „um die Ecke“ auf das Objekt und dreht die Rändelschraube zur Entfernungseinstellung auf der rechten Laufbodenseite so lange, bis sich die Teilbilder decken. Das funktioniert noch immer gut.


Zum Fotografieren zieht man den Balgen ganz vor, stellt dann Blende und Zeit ein und justiert die Entfernung, indem man die herausgezogene Rändelschraube am Laufboden dreht, bis der Anzeiger auf der linken Seite über der Meter/feet-Markierung steht. Ausgelöst wird dann am Objektiv. Da es keinen 122er-Film mehr gibt, muss man mit Adapterklötzchen für 120er-Film arbeiten (s. mein Foto). So bekommt man riesige randlose „Panorama-Negative“, von denen man ohne Vergrößerung Kontaktkopien machen kann. Zum Fotografieren bastle ich mit schwarzem Fotokarton zusätzlich immer noch eine Maske, damit die Spalten zwischen Film und Lichtschacht oben und unten geschlossen sind und es keine Fehlbelichtungen durch Streulicht gibt. Tückisch ist der Filmtransport: Man sieht im Rotfenster natürlich keine Bildnummern – man sieht gar nichts! Im Internet gibt es diverse Anleitungen dazu. Man muss die Umdrehungen der Filmtransport-Schraube abzählen. So bekommt man dann auf einen normalen 120er-Film ganze 4 Aufnahmen.

Die Kamera hat auch die von Kodak damals „gehypte“ Autographic-Funktion, mit der man mittels eines Metallstiftes durch ein aufklappbares Fenster in der Kamerarückseite Wörter auf die Rückseite des Spezialfilms schreiben konnte, die dann auf den Film durchbelichtet wurden. Eine frühe analoge Beschriftungsfunktion wie bei heutigen Digitalkameras also! Der Stift ist bei dieser 3A leider verloren, aber ich zeige das Bild meiner 1A, bei der der Autographic-Griffel noch dabei ist.


Der Balgen war in den Ecken leider sehr porös und nicht mehr lichtdicht. Ich habe zum ersten Mal die Abdichtung mit schwarzer Felgen-Sprühfolie (von Foliatec o.a.) ausprobiert. Diese Folie lässt sich leicht wie Farbe aufsprühen und trocknet dann als gummiartiger flexibler Film ab. Das Ergebnis ist perfekt: Der Balgen lässt sich leicht hin- und herbewegen, und die Lichtlecks sind verschwunden. Diese Sprühfolie gibt es in jedem Baumarkt in der Autoabteilung.
Die Kamera wurde von Kodak damals als kompakte „Taschenkamera“ angepriesen. Was für ein Klotz der schwere Apparat ist, zeigt der Vergleich mit einer Agfa Record (6x9). Beim Fotografieren verwendet man am besten ein Stativ. Auch nach 100 Jahren sind mit dieser Kamera noch scharfe und parallaxenfreie Aufnahmen möglich. Darüber staune ich selber immer wieder.