Ich möchte heute eine besonders qualitätsvolle und kompakte Mittelformat-Kamera vorstellen und würdigen, die „Kodak Duo 620“ (wir haben sie bislang nur als Karteikarte im Museum). Diese Kamera, die sich anfühlt wie eine hochwertige „Retina“ für das Format 4,5 x 6 cm, wurde von August Nagel in Stuttgart, dessen Kamerafabrik 1932 von Kodak übernommen wurde, zwischen 1934 und 1940 hergestellt. Wie die „Vollenda“ (6 x 9 cm) wirkt sie unglaublich stabil und ist ein feinmechanisches Präzisionsgerät.
Mein Exemplar hat einen unvergüteten Kodak Anastigmaten 3,5 / 75, aber es gibt diese Kamera (Modell II) auch mit Xenar und Tessar. Der Spannhebel befindet sich am Objektiv, aber die Kamera, die um 1937 hergestellt worden sein dürfte, hat bereits einen Gehäuseauslöser. Die Entfernungseinstellung (1m bis ∞) erfolgt über einen Hebel, der das ganze Objektiv nach vorne oder hinten verschiebt (wie bei der Welta „Weltini“ u.a.). Die Zeiten reichen von 1 bis 1/300 Sekunde inklusive T und B. Die Blendenreihe umfasst 3,5 bis 22. Mittels eines eleganten Drückers unter dem Objektiv wird das ausgefahrene Objektiv entriegelt und kann wieder eingeklappt werden. Mit einem Knopf auf der Oberseite fährt man den Balgen (echtes Leder!) aus.
Am Objektiv gibt es auch einen Drahtauslöser-Anschluss, aber noch keine Blitzsynchronisation
Die Unterseite hat ein 3/8-Zoll Stativgewinde. Die Oberseite trägt links den Knopf für den Filmtransport, rechts einen Tiefenschärfe-Ermittler und mittig einen aufklappbaren optischen Sucher. Auf der Rückseite erlaubt ein Rotfenster-Schieber den Nachvollzug der Bildnummern (wegen der Verdoppelung der Aufnahmenzahl gegenüber 6 x 9 cm wohl der Beiname „Duo“).
Geöffnet wird die Kamera links mit einem elegant verchromten Riegel. Der Film läuft im Inneren von rechts nach links.
Eine wunderbare Kamera für das Format 4,5 x 6 cm, die noch kompakter ist als die Zeiss Ikon „Ikonta“ für dasselbe Format.
Für heutige Fotografen ist das einzige Manko der 620er-Film, den Kodak damals auch bei den Nagel-Kameras eingeführt hat, denn er ist bekanntlich heute nur noch bei wenigen Spezialanbietern zu bekommen, oder man muss die fummelige Arbeit der Umspulung eines normalen 120er-Films auf die 620er-Spule im Dunkelsack auf sich nehmen.
Gerade habe ich einen 620er-Film geladen, und wenn ich die ersten Ergebnisse aus der Dunkelkammer habe, zeige ich sie hier.
Die Kamera ist jedenfalls optisch wie funktional für Sammler (und Anwender) die reine Freude. Nach 85 Jahren schnurrt bei meinem Modell der „Compur“-Verschluss glatt durch wie am ersten Tag!
eine feine Kamera. Besonders auch deshalb, weil sie den in Deutschland eher selten genutzten Rollfilm-Typ 620 nutzte. Kodak bewarb damals vier Kameras als 620-Serie, die diesen Film unterstützte.
Das "Duo" wurde abgeleitet von dem Format zweimal 4,5 x 6 cm, statt einmal 6 x 9 cm, also doppelte Bilderzahl.
Ebenso interessant das doppelte Bildzählfenster für wechselseitige Zählweise.
Die Herausspring-Führung über das Hebelteil (mit dem kleinen Kreiskonstrukt) ist auch hervorhebenswert.
Grüße von Haus zu Haus Rainer (Forumbetreiber)
Analog: Aus Negativ wird Positiv. Digital: Pixel sind nicht alles, aber ohne Pixel ist alles nichts.