[ iIa+iIa ] Nagel Pupille und Nagel Ranca, Format 3x4
Hallo Forum,
hier möchte ich zwei weitere Rollfilmkameras im Format 3x4 vorstellen, die Nagel Pupille und das einfacher ausgestattete Vorgängermodell Nagel Ranca.
August Nagel war zunächst Leiter von Contessa Nettel und nach der großen Fusion 1926 in der Geschäftsleitung von Zeiss Ikon tätig, schied aber 1928 aus und gründete wieder ein eigenes Unternehmen in Stuttgart (das später von Kodak übernommen wurde).
Links: Nagel Pupille. Rechts: Nagel Ranca
Die vorgestellten Rollfilmkameras sind Tubuskameras, das Objektiv wird vor Gebrauch herausgefahren. Bei der Pupille geschieht das über einen Hebel (unteres Foto), bei der Ranca muss das Vorderteil um 90° gegen den Uhrzeigersinn gedreht werden. Die Kameras haben ein starres Gehäuse, es gibt also keine Rückwand, sondern das Innenleben mit Filmfenster und Transportmechanik wird nach oben herausgezogen, ähnlich wie bei der Contessa Nettel Cocarette und anderen. Die Pupille hat Gesamtobjektivverstellung, die über das große und ausgesprochen griffige Rad vorgenommen wird. Bei diesem Exemplar läuft es noch heute butterweich, überhaupt ist die Kamera sauber konstruiert und exzellent verarbeitet. Verbaut ist im gezeigten Exemplar ein Schneider Xenar 2,9/5 cm in Compur 1–300. Es gab sie auch mit anderen Objektiven, u.a. dem Leitz Elmar 3,5. Für die Pupille gab es von Leitz auch den Entfernungsmesser FOFER zum Aufstecken, dazu dienen die beiden auf der Oberseite erkennbaren Buchsen. Daneben befindet sich ein Schärfentieferechner. Belichtet wird auf 127er Rollfilm. In Normalhaltung macht die Kamera Hochformataufnahmen. Anvisiert wird das Motiv über einen ausklappbaren Newtonsucher. Der Filmtransport erfolgt über einen Knopf auf der Oberseite unter Kontrolle der beiden Rotfenster auf der Rückseite.
Nagel Pupille
Die Ranca ist schlichter ausgestattet: Das Objektiv ist ein "Nagel Anastigmat" 4,5/5 cm mit Frontlinseneinstellung in unbezeichnetem Gauthier-Verschluss (wohl ein Vario) 25–100. Zusätzlich zur Meterskala gibt es Markierungen für "Nahbild", "Gruppe" und "Fernbild" – die Kamera richtete sich offenbar an eine Zielgruppe, die an möglichst einfacher Bedienung interessiert war. Der Sucher ist ein einfacher Rahmensucher, die Schärfentiefenskala fehlt.
Die Gehäuse sind ausgesprochen kompakt (9,5x6 cm). Angeboten wurde die Pupille im Zeitraum 1931–1935 (diese Version für 170 RM), die Ranca nur 1930–1931 (für 42 RM). Technisch ist sie weniger spektakulär, dafür deutlich seltener, da nur 2.200 Exemplare gebaut wurden.
Urheberrechte 1: Keine Scans von Prospekten, Bedienungs-Anleitungen, Prominentenfotos, Kunstobjekten oder Buch/Zeitschriften-Artikeln, die über begründete Bildzitate hinaus gehen.
Urheberrechte 2: Nur selbst aufgenommene Fotos. Keine Fotos auf und in fremden Grundstücken / Gebäuden / Museen, Ausstellungen, Theatern, usw.
Urheberrechte 3: Textpassagen von fremden Quellen vermeiden, höchstens einige Zeilen deutlich als Zitat erkennbar mit genauer Quellenangabe.
Keine Fotos, auf denen Personen erkennbar oder zuord-bar sind, ohne deren schriftliche Genehmigung (DSGVO). Ebenso keine erkennbaren KFZ-Kennzeichen oder Fragmenten davon! !
Fotos: Für beste Darstellung die Fotos (Thumbnails) unter den Textbeiträgen anklicken.
Der Zähler der Vorschaubilder zeigt NICHT die echte Zugriffszahl, die Bild-Anklicke direkt im Text werden nicht gezählt!
Dein Wissen über dieses Format 3x4 von Vorkriegskameras ist ja sehr beeindruckend. Ist das Dein spezielles Sammelgebiet? Ich habe hier nämlich auch noch so ca. 30 Kameras in diesem Format herumstehen, Laufboden oder auch Sucherkameras und über einige finde ich gar nichts im Netz. Ich finde dieses Format richtig klasse, qualitativ teilweise auf sehr hohem Niveau und das beste.......sie nehmen nicht so viel Platz ein. Also wenn Du dein Fachwissen zur Verfügung stellst, dann lade ich hier mal ein paar von diesen Kameras hoch, vielleicht kannst Du ja was dazu sagen. Ich habe hier sogar noch ne Linhof in dem Format hier stehen, von deren Existenz selbst Linhof keine Ahnung hatte.
vielen Dank für die Blumen – aber so umfangreich ist mein Wissen eigentlich nicht; ich versuche nur, möglichst viele Informationen aus der Sammlerliteratur, aus zeitgenössischen Katalogen und anderen Quellen zusammenzustellen. – Ich frage mich übrigens immer, in welchem Maße man bei diesen Kameravorstellungen im Forum auch Hinweise auf Literatur geben sollte – von Berufs wegen neige ich eigentlich dazu, möchte das hier aber auch nicht zu akademisch gestalten...
Aber an dieser Stelle ist vielleicht ein Hinweis auf eine sehr fundierte 10teilige Artikelserie von Jost Simon angebracht, die er in der Zeitschrift Photographica Cabinett veröffentlicht hat (Heft 22 [2001]ff.).
In der Tat bilden die 3x4-Kameras einen der Schwerpunkte meiner Sammlertätigkeit: Weil es ein zeitlich abgegrenztes und überschaubares Gebiet ist, eine große Vielfalt von Bauformen und Modellen existiert, von denen manche technisch sehr interessant sind. Außerdem kommen die vielen Varianten und Handelsmarkenversionen hinzu. Und in historischer Hinsicht sind die Kameras interessant, weil das Format letztlich gescheitert ist und sich das Kleinbildformat durchgesetzt hat. Und ja, der geringe Platzbedarf macht sie ebenfalls attraktiv...
Ich würde mich freuen, ein paar von Deinen Kameras zu sehen! Ich kenne aber auch nicht alle aus eigener Anschauung – vor allem fehlen mir noch Plaubel Makinette und Mentor Dreivier, und eine Thowe Thowette suche ich auch noch...
gegen die Nennung von Literatur- , Zeitschriften- und Katalog-Quellen bei Kameravorstellungen ist in den Beiträgen nichts einzuwenden. Lediglich die Inhalte zu zeigen wäre problematisch ohne Zustimmung der Rechteinhaber.
Zu den 127-Film Kameras: Mir gefallen die Kamera sehr gut. Schade, dass das 127-Format sich letztlich nicht durchgesetzt hat. Obwohl es doch eigentlich eine gewisse Zahl von Exemplaren gibt, sogar bis in die Welt der Rollfilm-Boxen.
Jedenfalls ein sehr interessantes Sammelgebiet.
Grüße von Haus zu Haus Rainer (Forumbetreiber)
Analog: Aus Negativ wird Positiv. Digital: Pixel sind nicht alles, aber ohne Pixel ist alles nichts.
an dieser Stelle auch noch ein wenig Ergänzendes meinerseits:
Im Buch von Helmut Nagel (Zauber der Kamera, 1977) kann man nachlesen, dass die Pupille ab 1931 und die Ranca ab 1930 gebaut wurden und dass die Ranca bereits 1931 nach 2.200 produzierten Exemplaren aus dem Sortiment genommen wurde, während die Pupille noch bis 1935 mit insgesamt 5.000 Exemplaren produziert wurde.
Davon abweichend oder auch präzisierend berichtete die zeitgenössische Fachpresse, dass die Pupille zur Frühjahrsmesse im Februar 1931 erstmalig präsentiert wurde. Zu diesem Zeitpunkt ist die Kamera aber bereits im Handel gewesen, denn bereits am 18. Februar 1931 schieb die Photographische Industrie: „Es hat sich im Laufe der letzten Wochen gezeigt, daß die Firma Dr. August Nagel, Stuttgart-Wangen, mit ihrer Pupille-Konstruktion eine sehr glückliche Hand gehabt hat. […] die ersten Lieferungen haben schlanken Absatz gefunden und vielfache Nachbestellungen nach sich gezogen. […]“ Man kann deshalb davon ausgehen, dass die Pupille wahrscheinlich Ende des Jahres 1930 auf den Markt kam. Hier noch eine zeitgenössische Werbung vom Februar 1931:
Die preiswertere und einfacher ausgestatte Ranca kam tatsächlich erst 1931 auf den Markt. Am 27. Mai 1931 berichtete die Photographische Industrie: „‘5 Kameras = 5 Schlager‘, so betitelt sich ein neuer, in hübschem Zweifarbendruck ausgestatteter Faltprospekt, den die Firma Dr. August Nagel, Stuttgart-Wangen, soeben zum Versand bringt. Der Katalog enthält außer der in so kurzer Zeit zu internationalem Ruf gelangten ‚Pupille‘, die neue ‚Ranca‘ und drei weitere Nagel-Kameras, die als unbedingte Verkaufsschlager gelten können.“ Anfang Juli 1931 findet sich die Ranca auch zum ersten Mal in einer Anzeige in der Photographischen Industrie:
Über das Ende der Produktion und die Stückzahlen der hergestellten Kameras gibt die zeitgenössische Presse natürlich keine Auskunft, aber bei 2.200 produzierten Ranca Kameras kann man wohl davon ausgehen, dass die Produktion noch bis 1932 lief. Allerdings erschien bereits zum Jahresende 1931 die Nagel Vollenda 3x4 mit ihrem geschützten Objektiv, die in einfacher Ausstattung der Ranca sicherlich den Rang als preiswerte 3x4-Kamera streitig machte. Das Ende der Pupille kam wahrscheinlich 1934 mit der Einführung der Retina oder kurz danach.
Mein Exemplar der Ranca besitzt ebenfalls einen "Nagel Anastigmat" 4,5/5 cm, der sich allerdings in einem Gauthier Pronto Verschluss befindet. Die Seriennummer der Kamera ist 99026.
Meine Ranca wurde auch nachträglich mit einer ‚Revisionsöffnung‘ auf der Rückseite versehen und gibt so geöffnet auch den Blick auf die Seriennummer des Objektivs (421957) frei. Ich habe einen derartigen Umbau an einer Ranca ansonsten nirgends gefunden, lediglich bei einer Pupille (ebay 133971756198, hier als Einrichtung für Planfilm bezeichnet) wurde eine ähnliche Konstruktion umgesetzt.
In diesem Zusammenhang stellt sich mir die Frage, ob es zu dieser Zeit noch andere Kamerakonstruktionen gab, bei denen man nicht ohne weiteres von hinten ans Objektiv kam?
Die Ranca ist ein schönes Beispiel dafür, dass gerade unspektakuläre Kameras vergleichsweise selten sein können; sie ist jedenfalls viel seltener als manches Modell aus Wetzlar; bei den Preisen macht sich das erfreulicherweise nicht bemerkbar.
Sehr interessant der Umbau mit der Revisionsöffnung.
axel:In diesem Zusammenhang stellt sich mir die Frage, ob es zu dieser Zeit noch andere Kamerakonstruktionen gab, bei denen man nicht ohne weiteres von hinten ans Objektiv kam?
Ich habe eine merkwürdige Umbau-Kamera, bei der jemand eine Ica Bébé mit dem Gehäuse einer Rollfilmkamera verbunden hat. Von welcher Kamera das Gehäuse stammt, habe ich noch nicht herausgefunden (evtl. eine Kodak?). Bei dieser Kamera gibt es ebenfalls eine mit dem Rotfenster gekoppelte abschraubbare Platte auf der Rückseite: