Ich möchte heute eine merkwürdige Kamera vorstellen: die Braun „Imperial“ (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Box) von 1953. Merkwürdig ist sie deshalb, weil sie so tut, als sei sie eine Kleinbildkamera, und dabei handelt es sich um eine Rollfilmkamera (Bildformat 6x6) mit ausziehbarem Balgen — und eine sehr einfache noch dazu. In ihrer breiten Kastenhaftigkeit erinnert sie an spätere Designs, etwa das der Kleinbild-Spiegelreflex „Pentina“. Mit ihren Chromleisten und ihrem pompösen Namen „Imperial“ täuscht sie eine Wertigkeit vor, die sie definitiv nicht hat.
Denn sie hat nur drei Zeiten (B, 1/25 für Blitzaufnahmen und 1/75 für Tageslicht) und zwei Lochblenden (8 und 16). Das Objektiv ist ein einfacher Achromat („Branar“). Es gibt einen Zubehörschuh, einen Blitz-Synchronanschluss und einen Drahtauslöser-Anschluss. Durch Drehen und Hervorziehen zweier Metallbügel rechts und links des Objektivs kann man die Frontplatte entriegeln und den kurzen Balgen ausziehen. Der Verschluss wird mit einem Hebel gespannt und am Objektiv ausgelöst. Die zwei beidseitigen Metallösen für einen Trageriemen sind zugleich die Griffe für die beiden Riegel, mit denen man die Rückwand öffnen und dann komplett abnehmen kann. Im Inneren sitzt eine gefederte Spreizen-Konstruktion, die den Balgen ausfährt.
Bemerkenswert ist die Entfernungseinstellung: Sie erfolgt mit dem Drehknopf oben links. Dort finden sich die drei Entfernungsbereiche „1–2m“, „3–5m“ und „7m–∞“ (und in roten Zahlen die entsprechenden feet-Angaben). Stellt man eine der drei Distanzen ein, verkürzt oder verlängert sich entsprechend der ganze Balgen.
Am merkwürdigsten ist aber, dass man sogar einen optischen Belichtungsmesser eingebaut hat, obwohl es ja im Grunde nur eine normale Zeit für Tageslichtaufnahmen gibt: Links vom Sucher gibt es einen Zahlenbelichtungsmesser mit vier Zeiten (75 – 25 – 2 – 1) für Blende 8, rechts einen analogen für Blende 16 (mit entsprechend „dunkleren“ Zahlen). Welch ein Aufwand, da man bei Tageslicht doch ohnehin immer nur mit 1/75 fotografieren wird und dann Blende 16 bei „sonnig“ und 8 bei „bewölkt“ wählt! Mehr Optionen hat man ja auch nicht...
Die Kamera wirkt insofern ziemlich „angeberisch“, obwohl sie optisch und verschlusstechnisch sehr simpel ist. Sie ist eigentlich eine faltbare Box. Da boten die „Paxina“-Modelle von Braun deutlich mehr Einstellmöglichkeiten und hatten auch bessere Objektive.
Gebaut wurde die „Imperial“ übrigens nicht von Braun in Nürnberg selber, sondern von der Wuppertaler Firma Wolf, erkennbar am Logo („W“) auf dem Objektiv, die die Kamera auch selber unter dem Namen „Luxa six“ vertrieb. Wolf hat auch für Adox und Gevaert Kameras gebaut.
Wenn man sich das Marktumfeld der 50er-Jahre mit seinen klassischen Balgenkameras für 120er-Rollfilm anschaut, ist die „Imperial“ vom Design her wirklich ein Unikum. Sie ist auch nicht kompakter als eine „Isolette“, kann aber viel weniger. Produktpolitisch ein schwer nachvollziehbares Projekt.
Sie ist heute recht selten und meistens nicht in funktionstüchtigem Zustand zu finden. Meine ist nur deshalb einsatzbereit, weil ich Vorder- und Hinterteil zweier von mir erworbener defekter „Imperials“ zu einer funktionierenden zusammengefügt habe. Jetzt wartet sie auf einen Testfilm.
Och, ich wette, ihre Besitzer waren stolz auf sie. Eine Paxina mit Dreilinser war fast doppelt so teuer. Bin neugierig, ob Du mal Testfotos mit ihr machst. Ich wette, sie kämen an eine Edelbox wie die Ensign heran. Sie hat etlichen einfachen Rollfilmkameras viel späterer Zeiten etwas voraus. Beispielsweise hat die Filmführung zwei Rollen. Vermutlich gibt es auch eine echte federnde Filmandruckplatte. Andere Kameras ähnlicher Zeit und Machart zerren den Film über plastikne Kanten eines gewölbten Bildfensters, um die Bildfeldwölbung einer einfachen Meniskuslinse auszugleichen (aber nur in waagerechter Richtung). Das rote Fensterchen scheint einen Lichtverschluß zu haben. Ein Achromat ist lichtschwach, aber nicht unbedingt unscharf in den Ecken.
Hallo, Die Imperial Boxen, es gab ja mehrere, hatten ja auch den imposanten Namen und waren von recht einfacher Machart. Und so einfach ist die Kamera jetzt auch nicht, sie hat immerhin 2 Blenden, 2 Verschlussgeschwindigkeiten, einen Focus, einen Blitzanschluss und Zubehörschuh und, wenn ich das richtig sehe, ein verschließbares Filmfenster. Im prinzip ist die Ausstattung ( vom verschließbaren Filmfenster abgesehen, identisch zu der meiner Paxina IIb mit rundem Springtubus. Die Belichtungsmesser hatten sicher einen Sinn, allerdings wird der sich uns ohne eine Bedienungsanleitung wahrscheinlich nicht erschliessen. Auf jeden Fall hast du da eine interessante Kamera