Glasplatten-Kassetten für Plattenkameras, Millionfalz
Hallo zusammen,
Plattenkameras wurden zu Zeiten entwickelt, wo die Normung der Industrie in diesem Bereich erst im Aufbau war. Das führte dazu, daß diverse Hersteller Einfassungen an ihren Kameras für die herausnehmbare Einheit "Abdeckung / Mattscheibe" und den stattdessen einschiebbaren Photoglasplatten-Kassetten unterschiedliche mechanische Abmessungen boten.
Dabei lagen die Unterschiede nicht nur in der Größe (Länge x Breite) sondern auch in der Tiefe (Seitenkante) und deren "Topographie". Es gab an der Seitenkante Oberflächenunterschiede. Einige nennen diesen Bereich Falz, andere Nut oder Rille. Bekannt in diesem Zusammenhang der Begriff "Millionfalz". Gerade der Millionfalz zeichnete sich aber durch keine Struktur (Rille oder Nut) aus, er war glatt.
Es gibt im WWW kaum Hinweise auf den Wortursprung von "Millionfalz". Ich deute das (vorläufig) so: Diese Kantenbauform wurde millionenfach eingesetzt? Jedenfalls findet man Glasplattenkassetten mit Millionfalz noch relativ häufig.
Wer also heute nach Ersatzglasplattenkassetten sucht, sollte unbedingt auf die Art der Kantenstruktur achten, aber auch auf die exakte mechanische Größe der Einpassung der Kassetten bei seiner Kamera.
Leider haben sogar namhafte Plattenkamerahersteller UNTERSCHIEDLICHE Kassetten im Laufe der Jahre verwendet.
Die Probleme, die bei der Umsetzung des Wunsches "Planfilme in Glasplatten-Kassetten" einzupassen, werden in diesem Beitrag nicht angesprochen. Nur der Hinweis: der Planfilm muß stabil (an den Rändern) gehalten sein und die Filmebene exakt an der Stelle liegen, wo sich bei der Platte die Emulsion befinden würde. Alle Arbeiten der Beschickung müssen in absoluter Dunkelheit erfolgen. Viele Anwender nutzen dafür Dunkelkammersäcke:
Bei der Ermittlung des Glasplattenformats ist genau auf die Abmessungen des Kamera-Filmfensters zu achten. Es kann Unterschiede zwischen Mattscheiben-Größe und Filmebene-Größe geben.
Glasplattenkassetten wurden aus verschiedenen Materialien hergestellt. Wer sie heute noch verwenden will (es gibt durchaus noch Spezialisten, die ihren lichtempfindlichen Emulsionen selbst auf Glasplatten auftragen) oder eben Planfilme einpassen), sollte unbedingt die Lichtdichtigkeit prüfen. Hier gibt es oft Probleme.
Es gab 2 Gruppen von Glasplattennegativ-Kassetten. Die Einschiebekassetten und Anlegekassetten. Erstgenannte wurden durch Einschieben in einen Falz der Kamera befestigt. Bei den Anlege- (Anlage-) Typen wurden die Kassetten ohne Falzführung befestigt.
Re: Glasplatten-Kassetten für Plattenkameras, Millionenfalz
Hallo an Alle!
Eine genaue Abbildung vieler verschiedener Falztypen für Platten- und Planfilmkassetten findet man im RADA Katalog. Im Browser einfach nach "RADA Kassetten" suchen und die pdf-Datei öffnen.
Re: Glasplatten-Kassetten für Plattenkameras, Millionfalz
Hallo Rainer!
Mir ist der Ausdruck "Millionfalz" auch während meiner Photographenausbildung vor mehr als 50 Jahren nie aufgefallen. Vor der Verwendung der Doppelkassetten in der Linhof, Cambo und Sinar haben wir die einfachen 10x15 cm Blechkassetten in der Plaubel Peco Supra II verwendet. Da hat aber alles gepasst, denn da wurde die Mattscheibe durch Federn angedrückt und die Kassette einfach vor der Mattscheibe hineingeschoben. Die Bezeichung Millionfalz kenn ich erst aus dem Internet
... ist ganz einfach, wenn man die zumindest früher dafür gebräuchlichen Blecheinlagen hat ;-) Die wurden z.B. von Agfa hergestellt, es gab sie auf alle Fälle für 6x9, 9x12, 10x15 und 13x18 - manchmal schwimmen sie ganz anonym in der Bucht vorbei, zumeist allerdings unsichtbar, da irgendwo dabei, zudem weiß kaum ein Verkäufer, was er so anbietet ... :-(
Das ist eben wie Weihnachten: :-)
Ob man Kassetten für Glasplatten oder Planfilm erhält, oder ob Planfilmeinlagen dabei sind - das bleibt eine Überraschung. Werden Planfilmeinlagen ausnahmsweise extra angeboten, oder kann der Anbieter Größe oder gar den Falz der angebotenen Kassetten benennen, dann geht das nach einem Motto der Art: "1 € (Euro) für die Ware, 9 € fürs Abmessen, dazu kommen 10 € für gewußt, was es ist".
Fachgeschäfte zeichnen sich übrigens dadurch aus, daß das "gewußt wie" immer in Rechnung gestellt wird - egal, ob es zutrifft oder nicht.
Noch seltenere und deshalb teurere Perlen sind die Formatreduktionseinlagen. Hat man aber sehr viel Glück, liegt soetwas noch in der Auster, die hier Kassette heißen kann.
Kameras und Kassetten haben sehr oft verschlissene Dichtstreifen. Es mag ja eine Zumutung für'n 'gestandenes Mannsbild' sein - aber es empfiehlt sich ein Besuch im Kurzwarenladen (Samtband, hochflorig - Meterware) :-). Sollte ich auch 'mal machen, so für den Fall, daß ich mal mit der einen oder anderen Kamera Gassi gehen möchte ..
Re: Glasplatten-Kassetten für Plattenkameras, Millionfalz
Hallo zusammen,
ich habe hier einige Photoglasplatten-Falze (nach Hinweis von Willi) aus dem RADA-Katalog zusammengestellt. In dem Katalog taucht auch das Wort "Millionfalz" auf.
Alle Angaben ohne Gewähr.
Bentzinfalz (Bentzin-Falz) *
Contessafalz (Contessa-Falz) *
Ernemannzweifalz (Ernemann-Zweifalz) *
Ernemanndreifalz (Ernemann-Dreifalz) *
Goerz-Tenaxfalz (Goerz-Tenax-Falz) *
Millionfalz (Million-Falz)
Nettelfalz (Nettel-Falz)
Normalfalz (Normal-Falz)
Normaldoppelfalz (Normal-Doppelfalz)
Rietzschelfalz (Rietzschel-Falz) *
Wünschefalz (Wünsche-Falz) *
* = mit Hersteller / Modell - Bezug
Da im Katalog die Telefon-Vorwahlnummer 0611 für Frankfurt /M angegeben ist, könnte der Katalog noch bis zumindest ca. 1970 aktuell gewesen sein.
Re: Glasplatten-Kassetten für Plattenkameras, Millionfalz
Hallo, alle Falzgeschädigten;-) !!
Genaugenommen sagt "Millionfalz" zusammen mit der Formatangabe noch lange nicht, daß das Ganze paßt - sondern nur etwas über die Gestaltung des Falzes. Ich habe Kassetten mit Millionfalz für 10x15 in zwei Breiten.
Meine Kassetten 9x12 für Millionfalz - 10.1 cm breit - passen nicht in eine meiner ganz alten 'unbekannten' Kameras - dafür müßten sie 10.05 cm breit sein. Diese Kamera sieht von vorn wie eine Urform der Contessen aus.
Habe auch noch eine Kassette ohne Schieber, deren Falz ich überhaupt nicht zuordnen kann - 'fast' Millionfalz, Breite 10.075mm (Bild angefügt). Nur am unteren Ende hat sie einen Rücksprung.
Ist also auch etwas zu breit für obige Kamera, die genau so eine Form braucht ... dachte ich bis jetzt. Geht etwas streng, paßt aber :-)!
Re: Glasplatten-Kassetten für Plattenkameras, Millionfalz
Hallo Rainer,
meine erste Intuition war, den Schieber einer 'normalen' 9x12 Millionkassette auf die passende 9x12 Million-Kassette 'mit Schwanz' anzupassen. Geht leider nicht - ist zu kurz, ließe Licht durch. Aber mit etwas Poliermittel und der passenden Kassette ließ sich die Führung in der Breite um das fehlende Muggeseggele*) erweitern. Die Lichtabdichtung ist theoretisch gegeben, praktisch erscheint das Ankleben eines 3mm (nicht 4mm!) dicken Hölzchens statt des Schwanzes dafür als zweckmäßig. Jetzt passen alle 9x12-Million-Kassetten, und sitzen recht straff.
Aber noch immer kenne ich Hersteller und Modell der Kamera nicht (wie auch bei ein paar anderen Kameras): Die Kamera sieht sehr solide aus, Details wie der Trieb für den Schlitten (obenliegend) wie bei Kameras um 1910. Das Eurynar ist ca. von 1914, der Compur allerdings von 1924 (kann auch ein Ersatz sein). Das Gesicht erinnert stark an viele Contessen, die Schiene für Rückteil und Kassetten sieht massiv, aber eventuell prototypisch aus: (rein spekulativ: Prototyp oder Modell z.B. einer Contessa von 1914 vor der kriegsbedingten Produktionseinstellung?)
*) das ist schwäbisch, bedeutet 'genz klein wenig'. Auf hochdeutsch übersetzt man das besser nicht, es wäre nämlich etwas derb und anatomisch inkorrekt. Mugge sind Fliegen, und Seggele heißt Säckchen ... :-)