kleine Plattenkameras im Format 4,5x6 sprechen mich besonders an. Zu ihnen gehört auch die Westentaschen-Tenax von C. P. Goerz (Berlin), eine Spreizenkamera. Sie gehört zu einer Reihe von Tenax-Spreizenkameras, die seit etwa 1909 in den Formaten 4,5x6, 6,5x9 und 4,5x10,7 (Stereo; --> https://blende-und-zeit.sirutor-und-comp...5&thread=35) gebaut wurden.
Der Katalog 1926/27 der Firma Hausamann bewirbt sie als "Miniatur-Metall-Camera von höchster Präzision für Filmpacks und Platten; ihre gedrungene und kompendiöse Bauart macht sie zur Rocktaschen-Camera im wahrsten Sinne des Wortes" (S. 144).
Es handelt sich um eine Kamera mit starren Spreizen in Form von Metallbügeln. Die Mechanik wird bei Pritschow (Die photographische Kamera und ihr Zubehör, 1931) erklärt: "Die im Kameragehäuse gelagerten Gelenke der Spreizen sind in Lagerstücken untergebracht, die sich im Kameragehäuse in Richtung der optischen Achse bewegen lassen, so daß durch Verstellung der dauernd im Kameragehäuse verbleibenden Lagerstücke der Abstand zwischen Objektiv und Bildebene entsprechend der jeweiligen Gegenstandsweite geändert werden kann" (S. 142).
Dem Anspruch einer Taschenkamera trägt die Konstruktion insofern Rechnung, als es kaum hervorstehende Bedienungselemente gibt. Die Stellräder für Blende und Verschlusszeiten sind bündig in die Frontplatte eingelassen, und der ausklappbare Newtonsucher ruht in einer Mulde. Die Kamera ist ausgesprochen kompakt; sie misst im zusammengeklappten Zustand inkl. Mattscheibenrückteil 9 x 7,5 x 3 cm und wirkt sehr aufgeräumt.
Die Entfernungseinstellung wird durch ein Drehrad an der Oberseite vorgenommen; die Fokussierung kann auch bei geschlossener Kamera erfolgen. Der Entfernungsbereich reicht bis 1,5 m. Häufig wird eine Naheinstellgrenze von 2 m angegeben (z. B. http://camera-wiki.org/wiki/Plate_Tenax); das liegt wohl daran, dass die Marke von 1,5 etwas versteckt neben der ∞-Marke angeordnet ist.
Das vorliegende Exemplar ist mit einem Goerz Dagor 6,8/75 in überbautem Compound 1–1/250 ausgestattet. Die Kamera wurde auch mit anderen Objektiven, wie dem preiswerten Syntor oder dem lichtstärkeren Celor 4,8 angeboten. Das Objektiv dürfte gemäß Seriennummer 1922–23 hergestellt worden sein, es handelt sich um ein späteres Exemplar. 1926 wurde das Modell noch ins Programm von Zeiss Ikon übernommen, aber schon 1927 wieder eingestellt. Die Nachfrage nach kleinen Plattenkameras ging zu dieser Zeit schon zurück, und Zeiss Ikon hatte mit der Neukonstruktion der Bébé 342 ein anderes Modell in diesem Segment (--> https://blende-und-zeit.sirutor-und-comp...mp;thread=196#2).
Wie aus dem Firmenschild im Lichtschacht hervorgeht, wurde das vorliegende Exemplar von der Firma L. Gruschka in Bielitz (Oberschlesien) verkauft oder war dort einmal zur Reparatur.
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nachdem nun auch bei mir ein Exemplar dieser hübschen kleinen Kamera gelandet ist, möchte ich diese hier auch kurz zeigen und dazu notieren, was mir auffällig erscheint.
Die Westentaschen-Tenax kam wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des Jahres 1908 auf den Markt und war zu diesem Zeitpunkt die erste Kamera dieser Konstruktion. Die Fachpresse berichtete ausführlich von diesem Apparat, „der nicht etwa nur seiner Kleinheit und seiner genialen Konstruktion wegen als Neuheit anzusprechen ist, sondern weil wir mit der Westentaschenkamera auch schwierigere photographische Aufgaben spielend leicht lösen können.“ (Photogr. Rundschau, 1908, Heft 23) Es findet sich auch ein entsprechendes Patent zu dieser innovativen Kamera – die Patentnummer ist frontseitig auf der Kamera eingraviert (außer bei den ganz frühen Exemplaren). Das Patent datiert bereits auf den 13. September 1907. Beim US-Patent erfahren wir auch den Namen des Erfinders. Das US-Patent beantragte am 1. September 1908 der Goerz-Ingenieur Paul Kämmerer (als Erfinder).
Andere Hersteller folgten zeitnah mit ähnlichen Kamerakonstruktionen. Die bekanntesten sind wohl die kleine Makina, die Bebe und die kleinen Contessa-Modelle.
Zum Verschluss der Kamera findet man im WEB kaum Angaben, aber die zeitgenössische Werbung und Kataloge geben Auskunft. Demnach hatten die ganz frühen Exemplare der Kamera noch einen einfacheren Verschluss, der Momentzeiten bis zu 1/100 erlaubte. Ab ungefähr 1910 war die Westentaschen-Tenax standartmäßig mit einem Compound-Verschluss ausgestattet und das blieb auch so bis zur Einstellung der Produktion unter Zeiss Ikon.
Zu den möglichen Objektivbestückungen hat der Jan schon einiges geschrieben. Das Dagor 6.8/7,5 cm war von Beginn an das Standartobjektiv der Kamera. Wenig später kamen diverse Auswahlmöglichkeiten an Objektiven hinzu. Im Zeiss Ikon Katalog von 1927 findet sich das Dogmar 3.5 als beste Objektivbestückung und dieses Objektiv wurde wohl als einziges mit einem Compur-Verschluss geliefert. Das vorliegende Exemplar ist mit einem Goerz Dogmar 4.5/7,5 cm ausgestattet. Vor dem Objektiv befand sich bei Lieferung eine aufgeschraubte Vorsatzlinse, wobei mir unklar ist, wozu diese Linse dient. Die Linsenbeschriftung lautet „G.P. GOERZ BERLIN“ und „1/3“. Vor geraumer Zeit hatte ich bei einem Konvolut ‚Kameraschrott‘ das Vorderteil einer Westentaschen-Tenax mit dabei. Dieses Teil ist ebenfalls mit einem Dogmar 4.5 ausgestattet und davor befindet sich exakt die gleiche Vorsatzlinse. In Kataloganzeigen findet sich der Hinweis, dass die Filmpackkassette zur Westentaschen-Tenax zusammen mit einer Vorsatzlinse geliefert wurde. Eventuell ist es ja diese?
An der Kamera finden sich diverse Nummern, die ich nicht alle zuordnen kann. Die einfachste ist sicher die Seriennummer des Objektivs (483xxx), die die Kamera ungefähr um 1921/22 datiert. (Das einzelne Vorderteil hat die Objektivseriennummer 402xxx, was um 1920 datiert). Auf der Rückseite des Vorderteils findet sich unter der Hinterlinse die sechsstellige Nummer 483443 (beim einzelnen Vorderteil 402055). Das könnte eventuell die Compound-Seriennummern sein? Das Mattscheibenrückteil der Kamera weist ebenfalls eine sechsstellige Nummer auf: 124691 (eventuell die Seriennummer der Kamera von Goerz?). Das einzelne Vorderteil weist zusätzlich noch eine fünfstellige Nummer auf der Rückseite auf „No. 68599“, was ebenfalls die Seriennummer der Kamera von Goerz sein könnte?
vielen Dank für die zusätzlichen Informationen und das Bildmaterial!
Zu der Vorsatzlinse:
axel:In Kataloganzeigen findet sich der Hinweis, dass die Filmpackkassette zur Westentaschen-Tenax zusammen mit einer Vorsatzlinse geliefert wurde. Eventuell ist es ja diese?
Interesant! Auf meinem Exemplar in 6,5 x 9 befindet sich ebenfalls eine solche Linse, beschriftet nur mit C.P.Goerz, Berlin. Ich habe das bislang für ein schwaches oder verblichenes Korrekturfilter (gelb-grün) gehalten; aber möglicherweise steht sie wirklich mit der Packfilmkassette in Verbindung (war bei meinem Expl. montiert). Das würde allerdings bedeuten, dass zur Kompensation unterschiedlicher Filmebenen nicht die Entfernungsskala angepasst wurde, sondern in das optische System eingegriffen wurde. Einen optischen Effekt kann ich allerdings nicht feststellen.
axel:An der Kamera finden sich diverse Nummern, die ich nicht alle zuordnen kann.
Ich habe das gerade bei meinen Exemplaren überprüft; da gibt es folgende Nummern:
1. Rückseite des Objektivbretts, aus Fotografensicht rechte Seite, oben. Diese Nummer ist identisch mit der auf dem Mattscheibenrückteil, daher habe ich sie als Seriennummer der Kamera identifiziert (2020xx) 2. Ebenfalls Rückseite des Objektivbretts, aus Fotografensicht rechte Seite, Mitte: eine vierstellige Nummer, Ziffern etwas größer (1634). 3. Rückseite des Objetkivbretts, linke Seite Mitte, direkt am Balgen, sehr klein: eine sechstellige Nummer mit vorangestelltem No.: 6916xx. Vermutlich Seriennummer des Compound?
Das gleiche Numerierungssystem findet sich auf den drei Exemplaren der Formate 4,5x6, 6,5x9 und 4,5x10,7. Die vierstellige Nummer in der Mitte - bei der Stereotenax ist sie dreistellig – diente vielleicht der Zuordnung von Bauteilen; dazu gab es auch einmal einen Thread.
Dass die Vorsatzlinse keinen sichtbaren Effekt bewirkt, ist mir auch aufgefallen. Bei einer Ausgleichslinse für die geringe Fokusdifferenz zwischen der Verwendung von Platte oder Filmpack ist auf der Mattscheibe wahrscheinlich auch kein Unterschied festzustellen.
Bei den verschiedenen Nummern auf der Kamera, habe ich die kurzen Nummern glatt unterschlagen. Das einzelne Vorderteil trägt die Nummer "222" und das vollständige Exemplar die Nummer "600". Das werden sicherlich Nummern aus der Fertigung sein.
Was die Seriennummer der Kamera betrifft, bin ich bei meinem vollständigen Exemplar etwas ratlos - außer der sechsstelligen Nummer auf dem Mattscheibenrückteil, kann ich am Gehäuse keine weitere Nummer finden.
axel:Bei den verschiedenen Nummern auf der Kamera, habe ich die kurzen Nummern glatt unterschlagen. Das einzelne Vorderteil trägt die Nummer "222" und das vollständige Exemplar die Nummer "600". Das werden sicherlich Nummern aus der Fertigung sein.
axel:Was die Seriennummer der Kamera betrifft, bin ich bei meinem vollständigen Exemplar etwas ratlos - außer der sechsstelligen Nummer auf dem Mattscheibenrückteil, kann ich am Gehäuse keine weitere Nummer finden.
Vielleicht gab es während der Bauzeit auch Serienänderungen; mir ist auch aufgefallen, dass das Stativgewinde bei Deinem Exemplar mittig positioniert ist. Bei meinem sitzt es seitlich, etwa in Höhe der Griffmulde für den Newtonsucher. Möglicherweise gingen solche Änderungen mit einer Neupositionierung der Seriennummer einher.
Hier mal zur Illustration:
Rechte Seite: Seriennummer (oben) und interne Bauteil-Nr. (?) (unten)
Linke Seite: Seriennummer Compound (?)
Das System der Compound-Nummern ist mir übrigens nicht klar, aber dazu gelegentlich in einem eigenen Thread.
die Position der Nummern hat sich auf jeden Fall geändert. Bei der unvollständigen Tenax kann man die Nummern ganz gut zeigen:
Rechts ist die "Bauteil-Nr."?, unter dem Objektiv wahrsch. die Nummer vom Compound und links die Nummer der Kamera. Bei der vollständigen Tenax sind die Nummern ebenso angeordnet, nur dass die Nummer der Kamera fehlt.
Die andere Position des Stativgewindes ist mir auch aufgefallen. Das Gewinde scheint ursprünglich 1/4 Zoll gewesen zu sein, es wurde aber nochmals reduziert. Das habe ich so auch noch nirgends gesehen...
Die Nummern 68599 und 124691 sind wirklich die Seriennummern des Kameragehäuses, sie passen zur Tenax 4,5x6-Serie. Merkwürdig ist jedoch, dass die Nummer 124691 nicht auch auf der Vorderseite eingeprägt ist. Die Nummern hinten in der Mitte (402055 und 483443) sollten mit der Objektivnummer übereinstimmen, das habe ich schon bei Tenax gesehen. Manchmal gibt es auch Nummern auf Tenax, z.B. 6xxxxx oder 7xxxxx, wie auf dem Exemplar von Jan, ich kenne ihre Bedeutung nicht. Theoretisch könnte es die Verschlussnummer sein.
vielen Dank für den Hinweis. Die Nummer unter dem Objektiv ist tatsächlich die Objektivnummer! Sie stimmt mit der Nummer auf der Vorderseite überein. Das hatte ich übersehen.