wie man vielleicht bemerkt hat, haben es mir die frühen Ica-Modelle aus der Gründungs-/Übergangszeit um 1909/10 angetan, die Merkmale der Vorgängermodelle aufweisen, oftmals nicht gekennzeichnet sind und mit Hilfe von Katalogabbildungen bestimmt werden müssen. Hier kann ich eine unbezeichnete Ica vorstellen, die ich mit der gebotenen Vorsicht als Nixe 590 einordnen möchte, wie unten näher begründet wird.
Es handelt sich um eine Laufbodenkamera im Format 8x14 für den entsprechenden Rollfilm 122 oder Platten 9x14. Das Gehäuse besteht aus Holz, der Laufboden aus Leichtmetall. Die Kamera besitzt doppelten Auszug mit automatischen Balgenstreckern und Zahntriebfokussierung.
Die Nixe-Serie wurde ja aus dem Programm von Emil Wünsche übernommen; man erkennt deutlich die für Wünsche charakteristischen sichelförmigen Handhaben.
Auch das Design der Kippstandarte und den Mechanismus der horizontalen und vertikalen Objektivverstellung kenn man von anderen Nixe-Kameras, z. B. der kürzlich vorgestellten Nixe 557 im Format 8x10,5 (s. hier: https://blende-und-zeit.sirutor-und-comp...&thread=243). Die Höhenverstellung erfolgt auch am vorliegenden Modell über einen hinter dem Verschlussbefindlichen Zahnkranz; der seitliche Hebel scheint bei diesem Exemplar zu fehlen. Wie die Entfernungsskalen in ft. zeigen, liegt hier ein Exportexemplar vor. Die abnehmbare Rückwand ist hier mit der für Rollfilmbetrieb erforderlichen Abdeckung zu sehen, an ihrer Stelle können Rückteile/Platten 9x14 eingeschoben werden, die ich leider nicht zur Hand habe. Das Rotfenster besitzt übrigens einen automatisch zurückfedernden Verschluss.
Äußerlich zeigt diese Kamera keinen Hinweis auf den Hersteller, was für Ica ungewöhnlich ist. Der Compound trägt lediglich das Friedrich-Deckel-Zeichen. An der linken Seitenwand fehlt eine kleine Plakette (ø 19mm), hier könnte es einen Hinweis auf Hersteller oder Händler gegeben haben, das lässt sich aber nicht mehr rekonstruieren. Aufschluss erhält man im Innern der Kamera; am unteren Rand des Filmfensters findet sich die folgende Gravur:
Specially manufactured in Germany by Ica, A.-G. Dresden for the A[rmy] & N[avy] Aux. C[o-operative] S[ociety] Ltd.
Bei dieser 1871 gegründeten Firma handelt es sich um eine Kaufhauskette, die ursprünglich als Genossenschaft für Militärangehörige organisiert war, später aber erheblich expandierte und ein breites Sortiment an Waren anbot: https://en.wikipedia.org/wiki/Army_%26_Navy_Stores_(United_Kingdom)
Diese Kamera wurde also von Ica bezogen; äußere Hinweise auf Hersteller oder Modell findet man nicht, was ja für Handelsmarkenprodukte normal ist. Es stellt sich nun die Frage, ob es sich wirklich um eine Sonderproduktion handelt, wie die Gravur andeutet, und wie die Kamera zeitlich einzuordnen ist.
Die äußeren Merkmale sprechen, wie ausgeführt, für eine Nixe 590, die um 1910 angeboten wurde, in Deutschland beispielsweise im Katalog von Wiesenhavern 1910. Um 1912 wurde das Design der großen Nixe verändert; der Ica-Katalog 1912/13 verzeichnet die Nixe 595 mit deutlich anderen Merkmalen. Das am vorliegenden Exemplar verbaute Objektiv, ein Tessar 6,3/16,5 (1972xx) lässt sich ins Jahr 1912 datieren. Die Kamera besitzt in der unteren Spulenkammer auch eine vierstellige Nummer mit vorangestelltem D – dieser Buchstabencode wurde ansonsten im Zeitraum 1914–18 verwendet. Ob es in diesem Zeitraum entsprechende Handelsbeziehungen gab, scheint mir allerdings zweifelhaft. Möglicherweise handelt es sich auch nicht um die Seriennummer, sondern um eine Teilenummer – (andere) vierstellige Nummern mit vorangestelltem D findet sich auch auf dem Rückteil und der Unterseite der Laufschienen (üblicherweise stimmen Seriennummer im Gehäuse und Rückteil miteinander überein).
Meine Vermutung ist, dass nach 1910 an die britische Kaufhauskette Restbestände der alten Wünsche-Nixe 590 geliefert wurden, während das reguläre Ica-Programm die neue 595 vorsah.
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Re: Ica Nixe 590 (?) – Export- bzw. Handelsmarkenversion
(Fortsetzung)
Unklar ist, ob Objektiv und Verschluss mit der Kamera geliefert wurden oder erst später montiert wurden. Verbaut ist ein Compound in Gr. 1 (1–1/200) mit einem Tessar 6,3/16,5. Das ist für das Format eine vergleichsweise lange Brennweite; üblich waren bei diesen Kameras 150 mm, allerdings wurden zumindest bei den späteren Nixe-Modellen durchaus auch 165er Objektive angeboten, wie die Aufstellung bei Otto zeigt. Für die lange Brennweite ist hier ein vergleichsweise großer Verschluss erforderlich; das könnte erklären, warum beim vorliegenden Exemplar der Hebel zum bequemen Verstellen der Objektivplatte fehlt – er erfordert Platz! Hier ein Vergleich der Objektivplatten von Nixe 8x10,5 mit Automat-Verschluss ø 55 mm (oben) und Nixe 8x14 mit Compound ø 63 mm (unten):
Ich habe den Eindruck, dass der Compound etwas zu groß ist und der Hebel daher entfernt wurde. Dass es einen solchen Hebel gegeben haben muss, erscheint mir zwingend: Die aufwändige Verstellung über das Zahnrad ist ja nur sinnvoll, wenn es einen seitlichen Hebel gibt, ansonsten hätte man einen einfachen Verschiebemechanismus vorsehen können. Ob diese Modifikation schon im Werk erfolgte oder durch den Importeur oder ob ein Nutzer die Kamera aufgewertet hat, lässt sich nicht mehr feststellen. Für die letztere Annahme spricht, dass die Kamera mit einem Klapp-Rahmensucher ausgestattet war, wie er in den 1920er Jahren an Ernemann-Kameras üblich war; hier hat wohl ein früherer Nutzer den Bedienungskomfort erhöhen wollen – vielleicht hat er auch das Objektiv eingebaut.