eher beiläufig ist mir aufgefallen, dass gegen Ende der 1930er Jahre die sprichwörtliche Schlussbereitschaft ein beliebtes Werbeargument der Kamerahersteller gewesen ist. Hier mal drei entsprechende Beispiele:
Urheberrechte 1: Keine Scans von Prospekten, Bedienungs-Anleitungen, Prominentenfotos, Kunstobjekten oder Buch/Zeitschriften-Artikeln, die über begründete Bildzitate hinaus gehen.
Urheberrechte 2: Nur selbst aufgenommene Fotos. Keine Fotos auf und in fremden Grundstücken / Gebäuden / Museen, Ausstellungen, Theatern, usw.
Urheberrechte 3: Textpassagen von fremden Quellen vermeiden, höchstens einige Zeilen deutlich als Zitat erkennbar mit genauer Quellenangabe.
Keine Fotos, auf denen Personen erkennbar oder zuord-bar sind, ohne deren schriftliche Genehmigung (DSGVO). Ebenso keine erkennbaren KFZ-Kennzeichen oder Fragmenten davon! !
Fotos: Für beste Darstellung die Fotos (Thumbnails) unter den Textbeiträgen anklicken.
Der Zähler der Vorschaubilder zeigt NICHT die echte Zugriffszahl, die Bild-Anklicke direkt im Text werden nicht gezählt!
wenn man sozusagen von der Welt der Klapp-Balgen-Plattenkameras aus denkt, sind die erwähnten Kameras durchaus ein Schritt zur Schussbereitschaft. Fotografieren fast aus dem Handgelenk. Da passt gut auch das Wort Schnappschuss dazu. Den richtigen Augenblick abpassen zu können.
Vergleicht man viele Fotoapparate der 50iger, 60iger Jahre mit heutigen Digitalkameras und manchen Handys, wird klar, die alten Kameras waren teilweise schneller, um auf eine kurze Situation reagieren zu können.
Mir ist vor einiger Zeit folgendes passiert. Ich saß im Zimmer vor dem PC, als ich ein Motorengeräusch hörte, das etwas merkwürdig klang. Ich fühlte mich an ein altes Doppeldecker-Flugzeug erinnert. Gedanke: Schnell raus auf den Balkon und ein Foto aufnehmen. Gesagt getan, ich hatte meine Sony DSC-HV400 in Griffweite, raus, und siehe da: Tatsächlich ein Doppeldecker. Kamera einschalten, zielen, auslösen. Theorie, denn es wollte nicht gelingen. Grund: Die Kamera befand sich gerade in irgendeinen Nachtmodus und machte eine Langzeitaufnahme. Ergebnis: Irgendetwas zu dunkles, völlig verwackeltes Foto.
Ehe ich das korrigieren konnte, war das Flugzeug weg. Hätte ich meine alte analoge Kodak Retina 1a genommen, wäre die Aufnahme sicher gelungen. Die wäre immer von mir auf Schärfepunkt 1 und 1/50 und Blende 8 eingestellt, wenn ich sie aufgeklappt hätte.
Hätte hätte, Fahrradkette ...
Beste Grüße von Haus zu Haus Rainer (Forumbetreiber)
Analog: Aus Negativ wird Positiv. Digital: Pixel sind nicht alles, aber ohne Pixel ist alles nichts.
ja, schnelle Aufnahmebereitschaft war mit dem Aufkommen leichter und kleiner Kameras natürlich ein Werbeargument. Vielleicht ging es Axel aber auch um die militärische Metaphorik, die hier festzustellen ist und die es noch heute gibt: Man lädt seine Kamera mit Film, im englischen Sprachgebrauch gibt es ein shooting usw. Man müsste mal genauer anschauen, wann sich dieser Sprachgebrauch im fotografischen Bereich etabliert hat. Vielleicht ist die Annahme, dass Ende der 1930er Jahre militärischer Sprachgebrauch auch im Alltag üblich war, plausibel. Einen sehr groben Eindruck gibt eine Recherche mit dem Google NGram-Viewer, wonach die Frequenz des Adjektivs schussbereit in den von Google digitalisierten Büchern im Zeitraum 1914–18 und nach 1939 besonders hoch war:
Das ist natürlich mit Vorsicht zu genießen, weil man nicht weiß, in welchen Büchern das Wort gebraucht wurde (Militärtechnik? Jagd? Fotografie? usw.), aber doch ganz interessant...
Jan_S: Man lädt seine Kamera mit Film, im englischen Sprachgebrauch gibt es ein shooting usw. Man müsste mal genauer anschauen, wann sich dieser Sprachgebrauch im fotografischen Bereich etabliert hat. Vielleicht ist die Annahme, dass Ende der 1930er Jahre militärischer Sprachgebrauch auch im Alltag üblich war, plausibel.
Man schaue mal in die Fußballseiten in der Zeitung oder den Portalen . Da wird geschlagen, getötet, vernichtet, abgeschossen, die Beine abgeschnitten, ausgelöscht. Kein Wunder, daß die Begriffe, die sonst im Alltag gar nicht vorkommen würden, sich in den Köpfen festsetzen und zu entsprechenden Handlungen, Angriffe auf Busse, Zerstörungen in Eisenbahnwagen usw. führen. Wenn ich an Orwells "1984" denke - das mindeste, was man daraus lernen kann, ist, daß ein Begriff, der in der Sprache und damit in den Köpfen nicht existiert, auch nicht ausgeführt wird.
-------------- heute ------------------------------------------ Vernichtet von den Bayern versetzte seinem Ex-Klub einen ersten Schlag der bayerischen Armada standzuhalten. Die Beine abgeschnitten von einem FC Bayern München genug, um sie auszulöschen im Parc des Princes (0:1) geschlagen wurde Vernichtet von den Bayern Der Terror in Europa! Das ist es, wofür Mbappé nach Madrid gekommen ist. Mbappé schießt Manchester City ab Mbappé vernichtet ein City tötet Peps strauchelnde Mannschaft" ------------------------------------------------------------- Greetz, Hannes
Hi, als Endpunkt der "Schussbereitschaft" sehe ich für ein dreiviertel Jahrhundert die Schraub-Leica an. Schon, wenn man sie aus ihrem Behältnis holt, wird das Standard-Objektiv verriegelt, und man kann den Finger längst am Entfernungshebel haben, wenn man die Kamera am Auge hat. Das bedeutet, es gibt keine Kompromisse mit z.B. einer "Schnappschußeinstellung" bei einer Blende mit entsprechend großer Tiefenschärfe, und das heisst wiederum, man kann bei weit offener Blende und mit geringer Verschlußzeit fotografieren. Man sieht es der Spontanität und Schärfe der Bilder an - mit der Leica ist ein ganz neuer Stil der Fotografie entstanden. "Bereitschaft" hat auch etwas damit zu tun, die Kamera überhaupt bei sich zu haben. Unter "Canon110ED" habe ich im Forum die Leica der zwanziger Jahre (naja ... eher deren russischen Nachbau) im Vergleich mit einer Pocketkamera abgebildet, hier nochmal:
Obwohl man's mit dem Bequemermachen und hilfreich Funktionen verknüpfen in der damaligen Zeit noch nicht so hatte, ist der Zeigefinger beim Auslösen von selber auf dem Auslöser, der als eine kleine Schale zum Tasten ausgeformt war, und der Daumen gleich am rechten Ort für eine zitterfreie Auslösung. Desweiteren war genau da ein geriffelter Knopf, wo Daumen und Zeigefinger den Transportknopf nach der Aufnahme zwirbeln würden, und das Spannen des Verschlusses wird dabei von selber mit erledigt, keine Rede mehr von dem Compur-üblichen "Hoppla, noch schnell spannen, wo ist der Spannhebel vorne im Gewirr der Ringe um das Objektiv".
die drei oben gezeigten und relativ gleichlautenden Werbungen datieren alle um 1939 und das fand ich am Vorabend bzw. Beginn der II. WK bemerkenswert. Ich habe jetzt nochmal im Web geschaut und die Schussbereitschaft findet sich 1939 auch für die Super Dollina und 1941 für die Beirette. Die Kodak Regent war bereits 1936 schussbereit, die Super Ikonta schon 1934 und die Kern SS Stereokamera sogar schon 1932. Trotz dieser früheren Beispiele ist eine Häufung 1939 recht deutlich erkennbar. Insofern finde ich die Grafik von Jan durchaus interessant, auch wenn man leider nicht nach der ‚zivilen‘ Nutzung des Begriffs der Schussbereitschaft filtern kann.
Das Praxisbeispiel von Rainer deutet aber schon an, dass zur Schussbereitschaft nicht nur die entsprechende Fototechnik gehört. Man muss die Kamera auch schussbereit vorhalten und auch der Fotograf muss schussbereit sein. Eine hübsche Zusammenfassung zum Thema bietet der folgende Text von 1940, auch wenn er eigentlich als Werbung für den ‚Draufgänger‘ gedacht ist:
Ich selbst nutze für Schnappschüsse eigentlich nur das Smartphone. Das würde aber beim Flugzeugbeispiel von Rainer nicht viel bringen, da das Samsung beim Zoomen kaum brauchbare Bilder liefert. Für derartige Fälle liegt aber zumindest zuhause auch die DSLR bereit mit dem ‚Reisezoom‘ schussbereit parat.
axel:Das Praxisbeispiel von Rainer deutet aber schon an, dass zur Schussbereitschaft nicht nur die entsprechende Fototechnik gehört. Man muss die Kamera auch schussbereit vorhalten und auch der Fotograf muss schussbereit sein.
Moin, ich hänge mal den Text an, den ich zuerst als 15jähriger zu meinen Vorsätzen getan habe und immer mal wieder durchgegangen bin. Eine Exa oder Bentzin Primar 6x9 wollte halt bei aller Eile korrekt gehandhabt werden.
Heutzutage ist der Text fünfmal so lange (habe ich abgedeckt), Makromodus, Zeit/Bl. manuell, Entfernung manuell oder unendlich usw. usf. Ich weiß garnicht, ob ich es gut finde, daß es -zig Kombinationen der Einstellungen vom letzen Mal gibt, die mir den anstehenden Schnappschuß vermasseln werden - und wenn die Sammelwut (Smartphone, DSLR, Digitalkameras en masse) es einem auferlegt, jede Menge Aufnahmegeräte einzuüben, wenn man wirklich immer "schuss"bereit sein will.
axel:die drei oben gezeigten und relativ gleichlautenden Werbungen datieren alle um 1939 und das fand ich am Vorabend bzw. Beginn der II. WK bemerkenswert. Ich habe jetzt nochmal im Web geschaut und die Schussbereitschaft findet sich 1939 auch für die Super Dollina und 1941 für die Beirette. Die Kodak Regent war bereits 1936 schussbereit, die Super Ikonta schon 1934 und die Kern SS Stereokamera sogar schon 1932. Trotz dieser früheren Beispiele ist eine Häufung 1939 recht deutlich erkennbar. Insofern finde ich die Grafik von Jan durchaus interessant, auch wenn man leider nicht nach der ‚zivilen‘ Nutzung des Begriffs der Schussbereitschaft filtern kann.
Das ist wirklich eine interessante Beobachtung und auch aus linguistischer Perspektive interessant. Mich bringt das zu der Frage, seit wann das Fotografieren überhaupt so konzeptualisiert wurde. Hat man auch mit einer Plattenkamera 13x18 oder größer auf dem Stativ 'geschossen'? Oder kam das erst mit Kameras auf, die höhere Geschwindigkeiten erlaubten? Das muss nicht mit dem 'Kleinbildwesen' zusammenhängen; Schlitzverschlusskameras und Filmpack gab es ja schon zu Beginn des Jahrhunderts. – Interessanterweise sind ja auch bestimmte Hilfsmittel Schusswaffen nachempfunden, so habe ich mal ein 'Leica-Gewehr' gesehen; später kamen die Novoflex-'Schnellschuss'-Objektive. Man müsste das in historischen Fotobüchern/Zeitschriften einmal systematisch überprüfen; eine schnelle Korpusanfrage ist da mangels geeigneter Digitalisate leider nicht möglich. Ich werde aber bei der Lektüre historischer Bücher mal darauf achten.
eine kurze Google-Suche bringt folgendes Ergebnis zur ersten ‚schießenden Kamera‘:
„Schussbereit“ war als erste die schon oben genannte Kern SS Stereokamera im Jahr 1932.
Für „Schnappschüsse“ geeignet waren als erste ebenfalls im Jahr 1932 die Leica und die Rolleiflex.
Das ist aber nur das, was Google hergibt und sicherlich nicht aussagekräftig. Man könnte auf Grund der Ergebnisse nur mutmaßen, dass erst am Ende Weimarer Republik auch mit Kameras ‚geschossen‘ wurde.
Ich werde mal die Augen offenhalten, ob sich noch frühere Beispiele vlt. auch für andere Kameratypen finden lassen.
man muss ja nicht unbedingt Militarismus bei dem Wort "Schussbereitschaft" im Zusammenhang mit der Fotografie unterstellen. Wildfotografie wird auch ironisch als friedliche Alternative zum Jagdwesen empfunden, muss doch der Fotograf in diesem Metier noch mehr Kenntnisse des Wildes oder auch nur eines Schmetterlings und seiner Wege als auch der Landschaft aufweisen als der 80jährige Zahnarzt, der schon mal ein Pony oder auch einen Menschen als ein Reh identifiziert und abschießt.