unter der Bezeichnung Aviso bot die Ica zwei einfache Boxkameras – mit und ohne Wechselmechanik – für Platten an, die aus dem Programm von Richard Hüttig übernommen wurden. (Ausführliche Informationen dazu finden sich in einem sehr lesenswerten Artikel von Bernd K. Otto in Photo-Deal 115, 1/2022, S. 60–73, hier S. 61f.)
Es handelt sich um eine Einsteigerkamera in Form einer Box im Format 4,5x6 für Platten in Einzelkassetten. Das Gehäuse besteht aus Holz. Als Sucher fungiert ein Ikonometer, dessen Rahmen bei Gebrauch herausgezogen wird; ein Brillantsucher, wie ihn das vorherige Modell besaß, ist nicht mehr vorhanden. Die Kamera ist also nun für Aufnahmen aus Augenhöhe bestimmt. Sie wirkt gegenüber der früheren Version recht aufgeräumt, weil die Verschlussmechanik nun hinter der Frontplatte sitzt. Technisch gibt es kaum Veränderungen; eingebaut ist eine Landschaftslinse, deren Brennweite jetzt mit 8 cm angegeben wird; der Rotationsverschluss liefert eine Momentzeit und Z. Der Auslöser wirkt in beide Richtungen. Durch Herausziehen eines seitlichen Hebels kann die Blendenöffnung verkleinert werden. Der rückwärtige Falz nimmt Kassetten mit Normalfalz (Ica-Nr. 721) auf. Die Ausstattung ist also denkbar minimalistisch – einen Drahtauslöseranschluss gibt es ebenso wenig wie ein Stativgewinde, was die Frage aufwirft, wozu die Z-Einstellung dienen soll.
Diese Version erschien 1922; im Ica-Katalog 1922 ist sie noch nicht abgebildet, aber im Katalog 1925. In diesem Jahr wurde sie für 9 Mark angeboten. Nach der großen Fusion blieb die Kamera bis Oktober 1927 im Zeiss Ikon-Programm. Aber schon im Ica-Katalog 1925 fällt auf, dass Box-Kameras wie die Aviso, aber auch Magazinboxen wie die Trilby-Modelle nicht mehr gemäß ihrer Modellnummern zu Beginn präsentiert werden, sondern am Ende – gewissermaßen als Anhang zum Programm (S. 86–89). Diese Modelle scheinen seinerzeit keine große Bedeutung mehr gehabt zu haben. Und während Trilby und die Rollfilmboxen wenigstens als „empfehlenswert für Jugendliche und Anfänger“ beworben werden, gibt es zur Aviso keinerlei Hinweis auf eine mögliche Zielgruppe. Vermutlich war eine solche Kamera seinerzeit schon ein Anachronismus.
Abschließend noch eine Überlegung zur Modellbezeichnung: Die Aviso-Modelle gehen auf Boxkameras von Hüttig zurück, die zunächst unter der Bezeichnung Gnom vermarktet wurden – ein klarer Verweis auf das Aufnahmeformat und die Dimensionen der Kameras (ähnliche Benennungsstrategien gab es auch bei anderen Herstellern, so bot Ernemann ein Modell Liliput an). Schon 1907 erfolgt die Umbenennung. Warum Aviso? Das Fremdwort wird im Deutschen in zwei Bedeutungen benutzt: Avis(o) ist im kaufmännischen Bereich eine ‚Ankündigung‘. Hier also die Boxkamera, die Interesse an der Fotografie wecken soll? Möglich. Aviso war aber auch die Bezeichnung für leichtbewaffnete, schnelle Kriegsschiffe, die der Nachrichtenübermittlung dienten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als die kaiserliche Marine im Aufbau war, sicherlich ein positiv besetztes Wort für eine leichte, unkomplizierte und schnelle Kamera. Aber das ist nur eine Vermutung; eine klare Systematik der Modellbezeichnungen hat es bei der Ica wie bei vielen anderen Herstellern eher nicht gegeben.
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